Der FPÖ-Nationalratspräsident über den Konflikt auf dem Wiener Judenplatz, den Besuch von Viktor Orbán und die Neuausrichtung des Hohen Hauses
Walter Rosenkranz ist der erste Nationalratspräsident, der von der FPÖ gestellt wird. Die Linie seines Vorgängers Wolfgang Sobotka (ÖVP) will er nicht fortsetzen.
KURIER: Herr Präsident Rosenkranz, Sie sind noch nicht sehr lange im Amt, dennoch hat es bereits einigen politischen Wirbel rund um Ihre Person gegeben. Warum ist das so?
Walter Rosenkranz: Es ist eine historische Tatsache, dass zum ersten Mal in der Zweiten Republik ein Freiheitlicher diese Funktion bekleidet. Das ist natürlich eine große Ehre für mich. Es ist auch eine große Verantwortung, die ich mit Demut angenommen habe. Aber in den ersten zwei Wochen habe ich schon gesehen, welche Vorurteile, welche Ressentiments, aber auch welche Hoffnungen es da gibt. Und das versuche ich jetzt – entsprechend meiner Persönlichkeit – abzuarbeiten.
Sie wurden am 24. Oktober mit den Stimmen der FPÖ und einem Teil der ÖVP gewählt. Wie sehr stört es Sie, dass die ÖVP in der geheimen Wahl nicht geschlossen für Sie gestimmt hat?
Da muss man in die Vergangenheit blicken. Es haben eigentlich trotz möglicher Übereinkommen nicht alle für einen gestimmt, es wurde eher strategisch gewählt, sodass die Anzahl der Stimmen den Erfolg sichergestellt hat. Ich gehe davon aus, dass es die ÖVP ermöglicht hat, dass ich gewählt wurde.
Kommen wir zum November-Gedenken an die Pogromnacht des Jahres 1938. Da wurden Sie von der Jüdischen Hochschülerschaft gehindert, einen Kranz auf dem Wiener Judenplatz niederzulegen. Waren Sie im Vorfeld gewarnt worden, gar nicht zu diesem Platz hinzugehen?
Es hat am 8. November eine offizielle Gedenkveranstaltung gegeben, zu der die Israelitische Kultusgemeinde eingeladen hatte. Da war klar, dass ich dorthin nicht eingeladen werde. Dennoch wollte ich mich als Parlamentspräsident im Bezug auf das Gedenken nicht aus der Verantwortung stehlen. Und ich wollte dem mit einer Kranzniederlegung auf dem Judenplatz gerecht werden. Ich habe aber erst knapp davor erfahren, dass dort eine Mahnwache und eine Menschenkette der Jüdischen Hochschülerschaft geplant ist.
Sie wurden von einer Menschenkette an der Kranzniederlegung gehindert. Wie sehen Sie diesen Konflikt jetzt im Nachhinein? Interessanterweise habe Sie in einem Statement Verständnis für Proteste gezeigt.
Weil ich für die Anliegen von allen Menschen, die demonstrieren gehen, Verständnis habe. Für mich zählt es zur Meinungsfreiheit, eine Kundgebung abzuhalten. Ich denke da auch an die Demonstrationen in der Corona-Zeit. Das sind Grundrechte, die jeder Österreicher in Anspruch nehmen kann.
Kurier / Juerg Christandl
Aber eine Menschenkette, die eine Kranzniederlegung verhindert, ist mehr als bloß eine Demo.
Es war darauf angelegt, die Kranzniederlegung effektiv zu verhindern. Eine Aussage mir gegenüber habe ich allerdings als sehr empörend empfunden, weil sie mir überhaupt nicht gerecht wird. Wenn jemand zu mir sagt, dass ich mit dieser Kranzniederlegung den Vorfahren, die umgekommen sind, ins Gesicht spucken würde. Diese Aussage empört mich, weil das mir nicht entspricht.
Der Hauptvorwurf war ja, dass Sie sich – und auch die Burschenschaft, der Sie angehören – zu wenig von der Zeit des Nationalsozialismus distanzieren. Dass etwa ehemalige Nazis als Leistungsträger bezeichnet werden.
Ich habe in einem Buch, wo es um die …read more
Source:: Kurier.at – Politik