
Die Amerikanerin Jennifer Doudna (61) ist längst ein Rockstar unter Biologen, Biochemikern und Genetikern. Sie untersuchte gemeinsam mit der Französin Emmanuelle Charpentier, wie sich Bakterien gegen Viren schützen. Dabei entdeckten sie ein Protein, das Schäden, die Viren im Erbgut von Bakterien verursachen, präzise reparieren können.
Die sensationelle Entdeckung der Forscherinnen war dann, dass dieses Protein als „Genschere“ – bekannt als CRISPR-Cas9 – einsetzbar ist: Wie in einem Word-Dokument können Forscher seither präzise Teile des Gencodes einfügen oder ausschneiden, und so ohne großen Aufwand das Erbgut jeder Zelle verändern. Die Gen-Schere wird inzwischen weltweit von Tausenden Forschern verwendet.
Nobelpreis für zwei Frauen
Doudna und Charpentier erhielten für ihre Entdeckung im Jahr 2020 den Nobelpreis für Chemie.
Diese Woche war die US-Amerikanerin Ehrengast der Akademie der Wissenschaft und des Gregor Mendel Institute of Molecular Plant Biology (GMI) in Wien zur 25-Jahre-Feier. Der KURIER hatte dabei die Möglichkeit, mit Doudna über ihre Erfolge und die Zukunft und Risken der Genetik zu sprechen.
KURIER: Sie sagten kürzlich, heute würden Sie sofort in die Pflanzenforschung einsteigen. Warum?
Jennifer Doudna: Weil ich überzeugt bin, dass CRISPR in der Landwirtschaft am schnellsten Wirkung entfalten kann. Wir alle essen – und Pflanzen sind die Grundlage des Lebens. Gleichzeitig bin ich eine leidenschaftliche Gärtnerin. Pflanzen faszinieren mich, je mehr ich über sie lerne.
Gibt es bereits konkrete Anwendungen von CRISPR-Cas9?
Ja. Es gibt beispielsweise eine dürre-resistente Reissorte, an der wir mit der UC Davis arbeiten. In Japan wurde eine CRISPR-Tomate mit erhöhtem Nährstoffgehalt zugelassen. Ich glaube, wir werden CRISPR zunehmend in unserem Alltag erleben – ob im Garten, im Supermarkt oder in der medizinischen Versorgung.
Erfolge auch in der Medizin?
Ja, es gibt eine zugelassene CRISPR-Therapie gegen Sichelzellenanämie (eine erbliche Blutkrankheit, Anm.). Diese Therapie kann die Krankheit heilen, Sie ist funktional heilend, also ein echter Meilenstein. Aber sie ist teuer – zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro pro Patient – und erfordert eine Knochenmarktransplantation. Die Erschwinglichkeit wird die größte Herausforderung sein.
Und bei komplexeren Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer?
Bei Krebs ist die Programmierung von Immunzellen sehr vielversprechend. Es gibt sogar Ideen, CRISPR mit mRNA-Technologien zu kombinieren, wie wir sie von Impfstoffen kennen. Ziel ist, CRISPR direkt im Körper sicher und effizient einzusetzen. Das ist ein aktives Feld, in dem wir in den nächsten Jahren mit Durchbrüchen rechnen können.
Aber spielen Sie mit Ihrer Genschere, die den Bauplan des Lebens verändern kann, nicht Gott?
Wissenschaft stellt fundamentale Fragen. Wie funktioniert Leben? Wie entstand es? Als wir CRISPR entdeckten, wollten wir einfach verstehen, wie Bakterien Viren abwehren. Dass daraus ein Werkzeug zur Genmanipulation wurde, kam später. Die Gen-Schere wird unser Leben verändern. Aber: Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Deshalb sagen wir: Wissenschafter müssen über mögliche Risiken offen sprechen – etwa bei der Frage, ob CRISPR bei Embryonen eingesetzt werden darf. Da braucht es klare Grenzen und internationale Regulierung.
Warum haben Sie extra Kommunikationsexperten an Ihrem Institut engagiert?
Das war eine sehr bewusste Entscheidung. Wir organisieren Workshops und arbeiten mit Behörden weltweit zusammen, um Nicht-Wissenschafter über die Technologie, ihre Risiken und Möglichkeiten zur Risikominimierung aufzuklären.
Fügt Donald Trump der Wissenschaft aus Ihrer Sicht Schaden zu?
Ich weiß nicht, …read more
Source:: Kurier.at – Politik