Österreicher in Gaza: „Menschen graben Löcher für ihre Exkremente“

Politik

Der einzige österreichische Rotkreuz-Mitarbeiter in Gaza, Christopher Friedrich, versucht, den Menschen ein Mindestmaß an Hygienestandards zu ermöglichen.

Ahmed hat Schlafprobleme. Derzeit teilt er sich ein Zelt mit 17 anderen Männern, schläft am Boden und zum Geräusch von Explosionen ein. Zehnmal musste er im vergangenen Jahr fliehen. Seine Frau und sein Kind sind vor dem Gegenschlag der israelischen Armee im Oktober 2023 nach dem Terrorangriff der Hamas nach Ägypten geflüchtet. Ahmed entschied sich einen Tag zu spät, nachzukommen – da war die Grenze schon geschlossen.

Das Beispiel Ahmeds zeigt die Komplexität der humanitären Katastrophe in Gaza auf: Ahmed ist als Mitarbeiter der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung (IKRK) Opfer und Helfer zugleich. Insgesamt 315 IKRK-Helfer arbeiten in Gaza. Darunter ein einziger Österreicher: Christopher Friedrich.

Der gebürtige Vorarlberger ist zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober 2023 in Gaza. Der KURIER erreicht ihn via Zoom in Deir al-Balah, im Zentrum des Küstenstreifens. Die Verbindung ist stabil, manchmal stockt das Bild.

Zerstört „wie Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg“

In Deir al-Balah ist die Zerstörung „vergleichsweise“ gering, während es in Städten wie Khan Yunis oder Gaza-Stadt aussieht „wie in Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Friedrich.

Die Offensiven der israelischen Armee konzentrieren sich auf den Norden und Süden Gazas, trotzdem hört man auch in Deir al-Balah „rund um die Uhr Explosionen, Luftangriffe, Maschinengewehrfeuer und Schüsse von Handfeuerwaffen“, so Friedrich, und blickt kurz aus dem Fenster. „Auch jetzt fliegen Drohen über uns.“ Anschläge auf das IKRK gab es bisher keine, nach dem Humanitären Völkerrecht sind Hilfsorganisationen von allen Konfliktparteien zu schützen.

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Plumpsklos als Mindeststandards

Hunderttausende Geflüchtete sammeln sich derzeit in Zentralgaza. „Da steht Behausung an Behausung, bis knapp vor der Wasserkante“, schildert Friedrich. „Die Lage ist dramatisch.“ Zur Zeit gibt es starke Regenfälle, die Infrastruktur ist zerstört, es kommt zu Überflutungen. Das Grundwasser ist versalzen, das Trinkwasser knapp, muss von Behörden und Organisationen aufbereitet werden. „Wir sprechen von fünf Litern Wasser zum Trinken, Waschen und Kochen pro Person und pro Tag, das reicht knapp zum Überleben“, sagt der RK-Mitarbeiter. Die WHO empfiehlt in Notfallsituationen eine Mindestmenge von 15 Litern.

Innerhalb des IKRK ist das Österreichische Rote Kreuz verantwortlich für WASH-Agenden, WASH steht für Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung. In Gaza bedeutet das primär den Bau von Latrinen – also Plumpsklos, um den Menschen zumindest ein Mindestmaß an Hygienestandards zu ermöglichen. „Wir haben geschätzt über eine Million Menschen, die keinen Zugang zu funktionierender Sanitärversorgung haben. Die Menschen buddeln neben ihrer Behausung ein Loch für ihre Exkremente und legen ein Stück Holz darüber, um eine Art Plumpsklo zu errichten“ – ein Dorado für Krankheiten wie Durchfall und Hautinfektionen.  

Eine Latrine des Roten Kreuzes besteht aus vier Holzstecken, darum eine Plastikplane und eine Holzplatte drauf, sowie einer Bodenplatte aus Zement und einem Abflussrohr, das die Exkremente abführt. Eine kleine Wiederherstellung von Lebensqualität und Würde, sagt Friedrich. Bisher wurden geschätzt insgesamt 15.000 derartige Latrinen gebaut. „Eine Latrine wird im Schnitt von 35 Menschen benutzt. Demnach müssen wir noch 35.000 bauen, bis alle zwei Millionen Menschen Zugang haben“, schildert Friedrich die Dimensionen. Doch …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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