Brüssel verspricht Gespräche mit Kiew über Wiederöffnung der Pipelines durch Ukraine. Gas könnte aus Aserbaidschan kommen.
Es war ein Pokerspiel, wie es Viktor Orban gerne mit und in Brüssel spielt. Diesmal aber war der Gewinn, den der Ungar mit seiner riskanten Strategie einfuhr, bescheiden. In einem unverbindlichen und betont allgemein gehaltenen Schreiben kündigt die EU-Kommission an, mit der Ukraine Gespräche über deren Erdgas-Pipelines nach Europa zu führen.
Diese waren zu Jahresbeginn stillgelegt worden, nachdem die Verträge mit Russland ausgelaufen waren. Bis dahin war russisches Erdgas über die Ukraine in die EU geströmt. Bis zuletzt waren Österreich sowie Ungarn und die Slowakei Abnehmer dieses Erdgas. Während die heimische OMV die Verträge mit den russischen Lieferanten bereits von sich aus gekündigt und sich andere Lieferanten gesichert hatte, klafft in der Gasversorgung der beiden Nachbarländer eine riesige Lücke.
Entsprechend heftig drängen beide auf eine Wiederöffnung der Pipeline. Um den Druck auf Brüssel zu erhöhen, benützte Ungarn seinen wichtigsten politischen Hebel: Die Einstimmigkeit und damit das Veto-Recht für einzelne EU-Staaten bei wesentlichen Entscheidungen im EU-Rat.
Eine dieser Entscheidungen stand für Montag beim Rat der EU-Außenminister an: die halbjährliche Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland in Folge des Krieges gegen die Ukraine. Eigentlich ein Routineakt, doch Orban drohte öffentlich, sein Veto einzulegen, falls die Ukraine nicht einlenke und weiter russisches Gas durch ihre Pipelines strömen lasse. Der ukrainische Präsident Selenskyj konterte: Er werde nicht zulassen, dass Russland sein „Blutgeld“ mit diesem Gas verdiene. Über Wochen waren ungarische Diplomaten danach in Brüssel einer klaren Antwort auf die Frage ausgewichen, ob man nun das Veto einlegen werden oder nicht.
Freund Trump fiel aus
Ein Verbündeter allerdings, mit dem Viktor Orban fix gerechnet hatte, machte dem Ungarn einen Strich durch die Rechnung. US-Präsident Trump, der auf einen raschen Frieden – auch auf Kosten der Ukraine – drängt, hat zuletzt überraschend den Druck auf Russland erhöht. Trump drohte Putin mit neuen Sanktionen der USA, falls dieser sich nicht bald für ernsthafte Friedensverhandlungen entscheide.
Sanktionsdrohungen aus Washington und ein jähes Aus für die EU-Sanktionen durch Ungarns Veto? Ein Konfrontationskurs, dem Orban offensichtlich lieber auswich. Also ließ Ungarns Außenminister Péter Szijjarto am Montag das Veto bleiben – und bekam dafür die erwähnten Zugeständnisse.
Wie die allerdings das dringend benötigte Gas nach Ungarn bringen könnten, ist noch völlig offen. Die Regierung in Kiew hat jetzt eine neue Variante ins Spiel gebracht: Man könne ja Gas aus Aserbaidschan – ebenfalls ein großer Exporteur – über die Pipelines nach Europa bringen. Schon bisher ist Gas aus der Diktatur am Kaukasus über Pipelines nach Europa geflossen. Medienberichten zufolge stammte viel von diesem Gas in Wahrheit aus Russland.
Source:: Kurier.at – Politik