
Wie sich die neue Regierung auf Instagram in Szene setzt – und was sie von ihren Vorgängern lernen kann.
Niemand weiß mehr, wann es angefangen hat – aber seit einiger Zeit scheint kein Kanzler, kein Minister oder Staatssekretär mehr ohne einen (meist sehr jungen) Mitarbeiter unterwegs zu sein, der mit dem Handy in der Hand um ihn herumschwirrt. Diese Social-Media-Beauftragten gestalten und posten Fotos oder kurze Videos, untermalt mit – die Älteren würden sagen – „flotter“ Musik und bunten Schriftzügen, auf Instagram, Tiktok und ja, Facebook existiert auch noch.
Soziale Medien gehören mittlerweile zum polit-medialen Geschäft wie klassische Pressekonferenzen und Interviews. Nur zwei der 21 Mitglieder der türkis-rot-pinken Koalition sind nicht auf Instagram vertreten, das sind Justizministerin Anna Sporrer und Finanzminister Markus Marterbauer (beide SPÖ).
Eine politische Botschaft anbringen, ohne fad zu sein und sofort weitergewischt zu werden. Auffallen, ohne penetrant zu wirken. Lustig sein, nicht peinlich: Wie stellt man das an?
„Es kommt ganz auf die Person an“, sagt ein Social-Media-Experte, der in der vergangenen Legislaturperiode eine Ministerin begleitet hat. Er selbst habe sich Zeit genommen, seine Ministerin gut kennenzulernen – was sie gerne macht, was sie nicht mag, was an ihr das gewisse Etwas ist. „Und dann probiert man verschiedene Dinge aus.“
Anfangen könne man mit leichten Frage-Antwort-Videos oder Szenen aus dem Arbeitsalltag. ÖVP-Kanzler Christian Stocker wirkt da noch etwas steif. Jene, die ihn kennen, bescheinigen dem 65-jährigen Wiener Neustädter eigentlich Schmäh und Schlagfertigkeit. „Vielleicht muss er sich erst noch an die Handykamera gewöhnen.“
Selbstironie
Überhaupt dürften sich Männer älteren Semesters mit modernen Formaten schwerer tun – damit könne man aber auch spielen, sagt der Experte. Stichwort: „Boomer“. Das sind Personen aus der Babyboomer-Generation, die in den Augen der Jüngeren etwas ahnungslos und „alt“ agieren. „Lieber Opi“, hätte man früher gesagt.
Ein Paradebeispiel ist der frühere Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der mit großem Elan alles mitzumachen schien, das seiner jungen Social-Media-Mitarbeiterin eingefallen ist. Etwa, sich einen Menstruationssimulator umzuhängen, um vor Schmerzen nur so japsend auf Endometriose aufmerksam zu machen. Oder mit Vizekanzler Werner Kogler im Stadion die „Fußball-Mäuse“ zu grüßen.
Als „Boomer“ sammelte kürzlich auch ÖVP-Innenminister Gerhard Karner Sympathien, als er in einem Video erzählte, wie er in seinen drei Jahren Amtszeit von einem „Nokia Tastentelefon“ auf ein Smartphone umgestiegen und jetzt auch auf Instagram vertreten ist.
Der zentrale Gedanke bei der Social-Media-Arbeit für einen Politiker: „Ein Video darf gerne albern sein, aber es braucht auch immer einen Bezug zu einer politischen Botschaft.“ Von einer Tiktok-Tanzchallenge würde der Experte abraten. „Da fehlt die Message.“
Herzerl gebe es auf Instagram immer für Politiker, die „relatable“ wirken – also bereit sind, etwas von sich preiszugeben, das jeder von sich selbst kennt. Etwa ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die von einem Society-Journalisten gefragt wurde, wie sie ihre Ballkleidung aussucht. Die Antwort: „Das, wo ich hineinpass’. Ich habe sehr viel gegessen in letzter Zeit.“
Was gut funktioniert oder gar „viral geht“, sei oft nicht logisch nachvollziehbar, sagt der Experte. Dass ein Video, das den damaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher in einer Küche bei einem gehbehinderten Koch zeigt, mehrere Millionen Mal angeschaut wird, hätte wohl niemand erwartet.
Angreifbar
Die …read more
Source:: Kurier.at – Politik