
Der nationalistische Präsident setzt einen renommierten Mediziner an die Spitze der neuen Regierung. Unterdessen radeln 80 Demonstranten von Belgrad nach Straßburg, inklusive Zwischenstopp in Wien.
Bis 18. April soll sie stehen – die neue serbische Regierung, die viele im Land nicht wollen. Nach dem künftigen Premierminister hat in der Bevölkerung jedenfalls kaum jemand gefragt, denn der war vor der Verkündung durch Präsident Aleksandar Vučić am Wochenende weitestgehend unbekannt.
Mit Djuro Macut hat sich der Nationalist für einen politischen Quereinsteiger entschieden. Der Mediziner ist ein renommierter Endokrinologe und Professor an der Universität Belgrad, ein Experte im Bereich der Hormonforschung. Vučić hält ihn für „extrem mutig, sehr ruhig und geduldig“. Wohl angesichts der seit Monaten anhaltenden Massendemonstrationen gegen Korruption und indirekt auch gegen Vučić aus dessen Sicht essenzielle Eigenschaften für einen neuen Premier. Den alten, Miloš Vučević, hatte er wie andere Minister abgesetzt. Beobachter sprachen von „Bauernopfern“.
Macut habe sich seine Expertise an guten Universitäten in Bologna, Genf, Uppsala und Oxford geholt, betonte Vučić. Er setze sich für Frauengesundheit ein, fügte er hinzu. Und wenn Europa eine Ärztin an seiner Spitze haben könne, gehe das auch in Serbien mit Erfolg, so der Präsident in Anspielung auf den beruflichen Hintergrund von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Zudem beteuerte der Präsident einmal mehr, der Staat habe nach dem Einsturz des über korrupte Wege gebauten Bahnhofsvordaches in Novi Sad im November mit mittlerweile 16 Toten – der Auslöser der Proteste – alles getan, was er könne. „Viel schneller als sonst in der Welt“ seien Strafverfahren gegen die Verantwortlichen eingeleitet worden, die Familien hätten Hilfe angeboten bekommen, man sei die Angelegenheit transparent angegangen. Die Demonstranten, und auch viele Politikexperten, beurteilen all das ganz anders.
Die von Studierenden initiierte und angeführte, aber gesellschaftlich breit gefächerte Protestbewegung bezeichnete der Präsident wie schon zuvor als gewalttätig, stellte sie als gefährlich dar – wohl, damit weniger sich hin trauen. Das könnte auch ein Grund für den mutmaßlichen Einsatz einer Schallkanone bei einem der letzten Proteste gewesen sein.
Proteste forderten keinen neuen Premier
Mit seinem Anhänger Macut setzt er nun ein politisch unbeschriebenes Blatt an die Spitze der neuen Regierung. Und eben einen renommierten Professor, quasi einen von den Unis, von denen die Demonstrationen eben ausgehen. Es ging den Protestierenden aber offiziell nie um die Neubesetzung politischer Ämter. Sie wissen, dass alle Macht von Vučić ausgeht und fordern, dass staatliche Institutionen unabhängig ihre Arbeit machen können.
Manche wünschen sich auch eine Experten-Übergangsregierung, um eine umfassende Aufarbeitung der Bahnhofstragödie zu ermöglichen. Einer solchen erteilte Vučić aber eine Absage: „Der Premier oder Präsident wird nicht auf der Straße gewählt“, zitierten serbische Medien ihn am Montag.
Demonstranten radeln nach Wien
Unterdessen gehen die Protestaktionen weiter. Derzeit radeln rund 80 Junge Demonstranten von Belgrad nach Straßburg. Vergangene Woche ging es los, am heutigen Montag werden sie gegen 17:30 in Wien erwartet, wo sie am Maria-Theresien-Platz von Unterstützern empfangen werden.
„Die Radfahrer wollen die EU-Institutionen motivieren, den Druck auf die serbische Regierung zu erhöhen“, sagt Marina Ivanković. Die 24-jährige Elektrotechnikstudentin ist eine von rund 60 Organisatorinnen der Initiative Blokada Beč, viele von ihnen aus der serbischen Diaspora, …read more
Source:: Kurier.at – Politik