Rotes Kreuz im Gazastreifen: „Wer versichert uns, dass unsere Hilfe ankommt?“

Politik

Mit der Waffenruhe begann am Sonntag für Hilfsorganisationen die Arbeit wieder von Neuem. Die Lage vor Ort mache es jedoch schwer, zu helfen, warnt der zuständige Regionaldirektor des Roten Kreuzes.

Seit Sonntag gehen erstmals wieder Bilder aus dem Gazastreifen um die Welt, die Hoffnung machen. Sie zeigen Palästinenser, die über die Waffenruhe jubeln, über die ersten Lkw voller Hilfsgüter, die seit Monaten die Grenze überqueren – oder zum ersten Mal wieder in großen Mengen durch die Ruinen ihrer Heimat spazieren.

„Diese Menschen haben 471 Tage in der Hölle verbracht, jetzt haben sie für einen Moment Luft zum Atmen“, sagt Hossam Elsharkawi, Regionaldirektor des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) für den Nahen Osten und Nordafrika. 

Der Kanadier, dessen Familie einst selbst aus dem Gazastreifen floh, sprach am Montag in Wien über die enormen Schwierigkeiten, denen Hilfsorganisationen vor Ort ausgesetzt sind.

640 Lkw am ersten Tag – das reicht nicht aus

Der ägyptische Rote Halbmond organisiert die internationalen Hilfslieferungen nach Gaza: 640 Lastwägen voller Lebensmittel, Medikamente und Hygieneartikel überquerten alleine am Sonntag die Grenze. 

Doch das reiche bei Weitem nicht aus: Schon bevor die Hamas mit ihrem Großangriff am 7. Oktober 2023 den aktuellen Krieg vom Zaun brach, war die Bevölkerung im Gazastreifen auf rund 500 Lkw-Ladungen an Hilfsgütern pro Tag angewiesen gewesen.

Heute sei angesichts der Zerstörung deutlich mehr notwendig, sagt Elsharkawi. „Es wird noch Wochen dauern, bis wir ein genaues Bild davon haben, wie viel benötigt wird. Aber uns fehlen schon alleine die Finanzen, um das zu stemmen.“ 

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Hossam Elsharkawi, Regionaldirektor des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) bei einer Pressekonferenz in Wien

Einen nennenswerten Anstieg an Spenden – sowohl von Privatpersonen als auch von staatlichen Institutionen – habe es trotz der Waffenruhe noch nicht gegeben.

Für die nächsten Wochen werde es deshalb schwierig, dieses Tempo aufrechtzuerhalten. Noch stünden in Ägypten rund 1.000 beladene Lkw bereit – deutlich weniger als noch vor Monaten, doch Lebensmittel sind seither verdorben, Medikamente abgelaufen. Tausende Tonnen an Hilfsgütern mussten somit weggeschmissen werden.

Ein weiteres Problem: Von den sieben Grenzübergängen in den Gazastreifen sind nur drei geöffnet, für ein paar Stunden pro Tag. Um die notwendige Hilfe leisten zu können, „müssten alle Grenzübergänge rund um die Uhr geöffnet bleiben“, so Elsharkawi.

Gefahr von Plünderungen: „Das ist lebensgefährlich“

Das größte Problem sei jedoch die Frage, wie die Hilfsgüter vor Ort weiterverteilt werden: „Das aktuelle Übereinkommen beinhaltet keine Information darüber, wer den Gazastreifen momentan regiert. Wer versichert uns, dass diese Hilfe sicher ankommt?“

Nicht nur von der Hamas selbst gehe Gefahr aus. Während der letzten Waffenruhe im Mai war Elsharkawi selbst im Gazastreifen, damals wurden Lkw zum Schutz vor Plünderungen von Sicherheitsleuten begleitet – „und sogar die wurden von Drohnen beschossen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit einer völlig verzweifelten Bevölkerung zu tun haben, der es an allem fehlt. “ 

Das sehe man nicht zuletzt an den Tausenden Vertriebenen, die noch am Sonntag ihre Sachen packten und die Flüchtlingscamps im Gazastreifen verließen, um dorthin zurückzukehren, wo früher ihre Häuser waren. „Das ist lebensgefährlich“, so Elsharkawi, „noch immer sind Bomben und Raketen, die jederzeit explodieren könnten, im Schutt begraben.“

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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