Schönborn: Rückkehr zu früheren Zeiten weder möglich noch wünschenswert

Politik

Der Wiener Erzbischof zog bei einem Mediengespräch Bilanz über seine Amtszeit und analysierte Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft.

Gesetzt den Fall, dies wäre nicht seine Abschieds- sondern seine Antrittspressekonferenz – was würde er dann in den Fokus stellen, wurde Kardinal Christoph Schönborn gefragt. Seine Antwort mag einige überrascht haben: Er würde „mehr das geistliche Leben empfehlen, neben allen ganz wichtigen sozialen und gesellschaftlichen Fragen“, sagte der scheidende Wiener Erzbischof.

Dann verwies Schönborn auf David Steindl-Rast, den 98-jährigen österreichisch-amerikanischen Benediktiner, weltweit gefragter Vortragender und Buchautor, dem er kürzlich zum ersten Mal begegnet sei und der durch seine „ganz geerdete und überzeugende Spiritualität“ fasziniere. Früher habe man Priester „Geistliche“ genannt – und die Kirche bräuchte auch heute „geistliche Menschen“ (die nicht Priester sein müssten), „an denen man sich orientieren kann“. Denn: „Was soll das Christentum anderes machen, als Orientierung geben und aus dieser Orientierung leben zu helfen?“

Die Begegnung mit Journalisten am Montagnachmittag war gedacht als Antwort auf die zahllosen Interviewanfragen (auch des KURIER) an den Kardinal anlässlich seines 80. Geburtstages im Jänner und seiner um dieses Datum herum erwarteten Emeritierung. Da man nicht jeder einzelnen entsprechen konnte, lud man zum Sammeltermin, der zu einer Bilanz von Schönborns fast 30-jähriger Amtszeit und einem Stück Zeitdiagnostik des führenden österreichischen katholischen Kirchenmannes wurde.

Starke Rolle der Kirche in der Öffentlichkeit

Eine deutliche Absage erteilte der Kardinal Wünschen und Sehnsüchten, „die frühere Zeit wiederherzustellen“ – auch wenn dies gerade aus kirchlicher Perspektive verlockend sein mag, mit Blick auf seinerzeit volle Kirchen, breite Teilnahme am kirchlichen Leben und eine starke Rolle der Kirche in der Öffentlichkeit. Aber für eine solche Rückkehr gebe es kein Rezept, das sei „unmöglich“ – und. „Ich wünsche es mir auch nicht.“

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„Tiefe Ressourcen“

Grund zur Resignation sei dies dennoch nicht. Es gebe eine spürbare intensive „Suche nach Antworten auf die großen existenziellen Fragen“, und hier habe das Christentum ein „großes Angebot“, „tiefe Ressourcen“. Als Positivbeispiel verwies Schönborn auf 13.000 Erwachsene, nicht traditionell katholisch sozialisiert, die heuer zu Ostern in Frankreich sich taufen ließen: „Was bewegt sie?“

Generell sieht der Kardinal die Herausforderung für die Kirche, sich in eine zu bejahende liberale Demokratie „auf der Basis der Menschenrechte und der Freiheit“ einzubringen. Solche Elemente könnten „die Würde jedes Menschen“ oder dessen „Transzendenz-Offenheit“ sein.

Liberal heißt nicht beliebig

Entschieden trat Schönborn indes dem Missverständnis entgegen, dass eine liberale Grundhaltung Beliebigkeit bedeute. Wahr sei vielmehr im Gegenteil: „Die Voraussetzung für eine weitgespannte Brücke sind tiefe Fundamente, feste Pfeiler, die die Brücke tragen.“ Auch der interreligiöse Dialog setze eine „eigene gefestigte Haltung im Glauben“ voraus. In diesem Zusammenhang verwies Schönborn auf seinen Lehrer Joseph Ratzinger, den späteren Erzbischof, Kardinal und Papst, dem er viel verdanke, „und der entgegen dem Bild, das oft von ihm gezeichnet wurde, ein sehr offener und weitsichtiger Mann war“.

Mit Ratzinger/Benedikt XVI. verband Schönborn auch eine persönliche Freundschaft. Er war einer von drei Päpsten, die Schönborn in seiner Zeit als Erzbischof erlebte. Mit Johannes Paul II. hatte er vor allem im Rahmen seiner Arbeit für den Weltkatechismus zu tun; Franziskus habe er schon kennen gelernt, als dieser noch Weihbischof in Buenos Aires …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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