Die SPÖ spricht sich für ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich aus, ÖVP und Neos sind skeptisch. Was die finanzpolitischen Vor- und Nachteile wären, erklärt WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller.
Es klingt nach einer Nachricht, bei der sich FPÖ-Chef Herbert Kickl die Hände reibt.
Die SPÖ plädiert dafür, dass die EU ein Defizitverfahren gegen Österreich einleitet. Brüssel soll Österreich also vorgeben, wie viel Geld es in den kommenden Jahren einsparen muss, um seine Schulden unter Kontrolle zu bekommen.
Zur Ausgangslage: Wann kann die EU-Kommission Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits (üD-Verfahren) gegen EU-Länder einleiten?
Die EU-Maastricht-Kriterien sehen zwei Schwellenwerte vor. Das jährliche Defizit soll drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten, die Schuldenquote nicht über 60 % des BIP liegen.
Laut Fiskalrat droht Österreich heuer ein Defizit von 3,9 und 2025 von 4,1 % des BIP. Und die Schuldenquote steigt über 80 %. Der heimische Haushalt verstößt also gegen die EU-Vorgaben – und zwar deutlich. Dieses Problem muss die nächste Regierung, eventuell also Türkis-Rot-Pink, lösen. Sie hat dafür nur zwei Optionen, beide haben Vor- und Nachteile. Welche? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
APA/HELMUT FOHRINGER
Finanzminister Gunther Mayr
Welche Optionen hat die kommende Regierung?
Erste Option: Die Regierungsverhandler legen der EU-Kommission präventiv bis Mitte Jänner ein eigenes Maßnahmenpaket vor. Diese bewertet es und empfiehlt dem Rat für Wirtschaft und Finanzen, ob er bei dessen Sitzung am 21. Jänner ein üD-Verfahren gegen Österreich einleiten soll – oder nicht. Legt Österreich nichts vor, kommt es ohnehin zum üD-Verfahren.
In welchem Szenario muss Österreich mehr sparen?
Der Fiskalrat will am Montag konkrete Zahlen präsentieren. „Tatsache ist aber, dass der Konsolidierungsbedarf im Falle eines üD-Verfahrens tatsächlich erheblich geringer wäre“, sagt WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller zum KURIER. Grund: Die Anforderungen an Österreich wären beim „präventiven“ Weg höher. Ohne üD-Verfahren müsste Österreich laut Schätzungen von 2025 bis 2028 mehr als 20 Milliarden Euro einsparen. Und beim EU-Defizitverfahren? Wären auch Verstöße gegen Maastricht genehm, die Einsparungsvolumina würden aber Richtung 15 Milliarden tendieren.
Kurier / Juerg Christandl
Margit Schratzenstaller
Was sind die Vorteile eines üD-Verfahren?
Die künftige Regierung könnte mehr Geld ausgeben, argumentiert Andreas Schieder, SPÖ-Delegationschef in Brüssel, in der Presse. „Das ist insbesondere für das kommende Jahr relevant“, betont Schratzenstaller. Warum? „Eine sehr umfangreiche Konsolidierung würde die ohnehin sehr moderate Konjunkturerholung belasten“, erklärt die Ökonomin. Zweitens sei es schwierig, kurzfristig die nötigen Mittel einzusparen, „ohne auch auf Maßnahmen zurückgreifen zu müssen, die sich dämpfend auf die Konjunktur auswirken“. Heißt: Will die nächste Regierung das Budget nachhaltig sanieren und sich dafür Zeit kaufen, hätte sie es mit üD-Verfahren einfacher.
Was sind die Nachteile eines üD-Verfahren?
„Ein Nachteil wäre ein Reputationsverlust, der sich auch auf die Finanzierungskonditionen für Österreich niederschlagen könnte“, sagt Schratzenstaller. Österreich würde in diesem Fall ja deutlich höhere Schulden machen. Die Kreditkonditionen auf den Finanzmärkten könnten sich verschlechtern. „Damit könnten auch die Zinszahlungen für die neuen und die refinanzierten Schulden entsprechend höher ausfallen“, sagt Schratzenstaller. In welchem Ausmaß? Das sei fraglich. Weitere Nachteile: Österreichs Budgetkonsolidierung würde sich verzögern, im Fall einer neuen Krise wäre die finanzielle Ausgangssituation eher nicht besser als jetzt. Und, so Schratzenstaller: „Nicht zuletzt darf die Inkaufnahme eines üD-Verfahrens nicht dazu führen, dass der Druck auf die erst mittelfristig wirksamen …read more
Source:: Kurier.at – Politik