Sonne verdunkeln? Großbritannien experimentiert mit Geo-Engineering

Politik

Der Erfinder beruft sich gern auf die Natur. Als sich am 15. Juni 1991 eine der größten Vulkanexplosionen der Welt ereignete, katapultierte der Mount Pinatubo auf den Philippinen 17 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Diese Teilchen reflektierten einen Teil der Sonnenenergie. Im darauffolgenden Jahr sanken die Durchschnittstemperaturen auf der Nordhalbkugel im Schnitt um ein halbes Grad Celsius. 

Getty Images/iStockphoto/dzika_mrowka/iStockphoto

Der Amerikaner David Keith, zu diesem Zeitpunkt in seinem Doktorstudium, war fasziniert und begann zu überlegen: Konnte dieses Phänomen nicht bewusst eingesetzt werden?

Pionier des Geo-Engineering 

Heute gilt Keith als Vater des Geoengineering, bei dem Aerosole in die Stratosphäre gesprüht und Zirruswolken verdünnt werden, die als Wärmespeicher der Atmosphäre dienen – es ist eine der umstrittensten Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise. Sie gilt zwar als relativ kostengünstig, könnte aber zu katastrophalen Störungen der Wettermuster führen. 

Dennoch soll die Methode nun in Großbritannien zum Einsatz kommen. Die britische Labour-Regierung stellt Wissenschaftlern umgerechnet 66,81 Millionen Euro für Analysen und Experimente zur Verfügung. Damit wird das Land zu einem der größten Geldgeber für die Geoengineering-Forschung weltweit. 

EPA/ANDY RAIN

Großbritannien wird zum größten Geldgeber für Geoengineering-Forschung. 

Rund 50 Länder setzen derzeit bereits wetterverändernde Technologien ein. China deckt etwa 50 Prozent seiner Landfläche ab und führt damit das weltgrößte Projekt; die Golfregion hat eine Cloud Seeding-Technologie entwickelt, bei der Wolken so manipuliert werden, dass sie mehr Regen erzeugen. Als es vergangenen April zu verheerenden Überflutungen in Dubai kam, gaben Skeptiker dem Engineering Mitschuld.

„Wie Aspirin gegen Krebs“

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Forscher auf beiden Seiten des Atlantik haben auf die Ankündigung aus Großbritannien mit Besorgnis reagiert. „Das britische Spiel mit dem Solar-Geoengineering ist wie Aspirin gegen Krebs“, schreiben die Universitätsprofessoren Raymond Pierrehumbert aus Oxford and Michael Mann aus Pennsylvania im Guardian. „Es werden lediglich Symptome behandelt, während die zugrunde liegende bösartige Erkrankung weiter wachsen kann.“ 

Denn im Wesentlichen hätte die Menschheit das Klima durch die Freisetzung von Gigatonnen fossilen Kohlendioxids zerstört. Das solare Geo-Engineering möchte dieses Problem durch die Zerstörung eines ganz anderen Teils des Klimasystems „beheben“. 

Das Vorhaben sei also eine gefährliche Ablenkung von der Arbeit, die getan werden müsste, um die Netto-Null-Kohlendioxid-Emissionen erreichen, wie es sich Großbritannien bis zum Jahr 2050 vorgenommen hat. 

Gegen Klima-Kipppunkte

Professor Mark Symes, der Programmdirektor der Regierunsbehörde ARIA, die das Geo-Engineering-Projekt unterstützt, versuchte gegenüber britischen Medien zu kalmieren. Es seien lediglich „kleine kontrollierte Experimente im Freien zu bestimmten Ansätzen“ geplant, es würde „strenge Anforderungen an die Dauer der Experimente und ihre Reversibilität“ geben – und: „Wir finanzieren keine Freisetzung giftiger Substanzen in die Umwelt.“ 

EPA/TOLGA AKMEN

Das Geoengineering soll den Planeten abkühlen, so die Idee. 

Die Methode, so der Sukkus der Befürworter, sei schlichtweg notwendig. Laut einer aktuellen Studie der Universität Exeter, ist es wahrscheinlich, dass in nächster Zeit gleich mehrere Klima-Kipppunkte ausgelöst werden. Es gibt daher derzeit steigendes Interesse an Konzepten, die die Welt in kurzer Zeit aktiv abkühlen könnten – um der Entwicklung anderer Projekte mehr Zeit zu verschaffen. 

Doch die Skepsis im Land wächst. Eine zu Jahresbeginn gestartete Petition, die alle Formen des Geo-Engineerings verbieten möchte, hat in der vergangenen Woche Aufwind erlebt. Sie hält aktuell bei 98.780 Unterstützern – und wächst nahezu im Sekundentakt. 

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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