
Die Regierung müsste heuer sogar bis zu zwölf Milliarden Euro sparen, um ein EU-Defizitverfahren zu verhindern. Warum das sehr unrealistisch ist und wie es nun weitergeht.
6,4 Milliarden Euro will die türkis-rot-pinke Bundesregierung heuer einsparen, um ein EU-Defizitverfahren zu verhindern. Dafür müsste Österreichs Neuverschuldung 2025 unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben. Spätestens jetzt ist klar: 6,4 Milliarden reichen nicht.
Die Summe beruht auf Schätzungen der Wirtschaftsforscher von Jänner. Während sie damals noch leichtes Wirtschaftswachstum prognostizierten, droht nun erneut eine Rezession. Resultat: Die Staatseinnahmen sinken, die Neuverschuldung steigt.
Die Nationalbank (OeNB) rechnet mit einem Minus von 0,1 Prozent des BIP – und einem Defizit von 3,8 Prozent. Die Prognosen von WIFO und IHS folgen am Donnerstag. Wie reagiert die Regierung und wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viel muss Österreich tatsächlich einsparen?
Fiskalratspräsident Christoph Badelt geht von vier bis fünf zusätzlichen Milliarden aus, Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hält bis zu sechs für möglich. Österreich muss eventuell also zwölf Milliarden einsparen, um ein Defizitverfahren abzuwenden.
Wie kann es sein, dass plötzlich zusätzlich bis zu sechs Milliarden fehlen?
Die wirtschaftliche Situation ist noch schlechter als im Jänner befürchtet. Bereits 2024 hatten die Wirtschaftsforscher große Probleme, die Konjunktur vorherzusagen. Das kann an mehreren Indikatoren liegen: einbrechenden Exporten, sinkendem Konsum, Lieferkettenproblemen. Kommenden Montag veröffentlicht die Statistik Austria Österreichs endgültiges Budgetdefizit für 2024. Auch hier ist eine weitere Korrektur nach unten zu erwarten.
Warum droht Österreich ein EU-Defizitverfahren?
Österreich hat 2024 klar gegen die EU-Maastricht-Kriterien verstoßen. Bei einem einmaligen Verstoß leitet der EU-Rat nicht sofort ein Defizitverfahren ein. Der Fiskalrat prognostizierte jedenfalls schon im Frühjahr 2024 ein Defizit von mehr als drei Prozent für 2025, das Finanzministerium veröffentlichte entsprechende Zahlen nach der Nationalratswahl. Ab diesem Punkt war klar: Österreich benötigt ein Sparpaket, um die EU-Fiskalregeln einzuhalten. Einen Plan hätte die Regierung bereits 2024 nach Brüssel schicken sollen – was aufgrund der langen Regierungsbildung aber nicht geschah. Im Jänner übermittelten dann FPÖ und ÖVP der EU-Kommission ihr 6,4-Milliarden-Paket. Ob die Kommission dem EU-Rat die Einleitung eines Defizitverfahrens empfiehlt, bewertet sie im Mai. Der Ratsbeschluss folgt voraussichtlich im Juli.
Wird es dazu kommen?
Alles deutet darauf hin. Marterbauer hält das Verfahren ohnehin für keinen „Beinbruch“. Auch die ÖVP, die es dringend verhindern wollte, scheint sich damit abgefunden zu haben. „Wir werden am Ende des Jahres das Budgetdefizit nicht glaubwürdig unter drei Prozent bringen können“, meint auch Ökonom Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.
Was passiert in einem Defizitverfahren?
Gegen acht EU-Staaten – darunter Frankreich, Belgien und Italien – läuft ein solches bereits. Die „gute“ Nachricht: Diese müssen nicht sofort „Maastricht“ einhalten, sondern jährlich zumindest Ausgaben in Höhe von 0,5 Prozent des BIP kürzen. Österreich könnte sein Sparpaket heuer also abschwächen – was aber nicht geplant ist.
Wie wirkt sich das Ver- fahren auf Staaten aus?
Werten Ratingagenturen EU-Staaten in einem Defizitverfahren eher ab? Steigen Zinsaufschläge? Es gebe kein klares Bild, die Sorge werde aber „stark aufgebauscht“, meint Heimberger. Ökonom Hanno Lorenz vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria betont wiederum gegenüber dem KURIER, die Regierung solle weiterhin versuchen, ein Defizitverfahren zu umgehen: „Sonst verschiebt sie das Problem …read more
Source:: Kurier.at – Politik