
Nach fast 16 Jahren hat die Causa am Dienstag mit rechtskräftigen Schuldsprüchen geendet – und mit mahnenden Worten des Höchstgerichts. Angesprochen fühlen sollten sich alle Beteiligten.
Das Buwog-Verfahren war „exorbitant lang“. So lang, dass die Verurteilten in ihrem „Recht auf ein faires Verfahren“ laut Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt wurden. (Und wenn es einen Artikel in der EMRK gibt, auf den die Justiz achten sollte, dann ist es wohl der.)
Die Worte von Senatspräsidentin Christa Hetlinger vom Obersten Gerichtshof (OGH), der am Dienstag die Schuldsprüche gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sechs weitere Verurteilte im Kern bestätigt hat, sollten eine Mahnung sein; zumal die Verfahrensdauer auch der Grund dafür war, dass das Strafausmaß bei Grasser halbiert wurde – von acht auf vier Jahre.
Welche Konsequenzen das Justizministerium aus dieser Mahnung zieht? Offenbar keine. Eine Evaluierung, wie sie diese Woche etwa OGH-Präsident Georg Kodek angeregt hat, ist nicht geplant.
Aus dem Justizministerium heißt es auf KURIER-Anfrage, dass man schon seit Jahren laufend an Verbesserungen hinsichtlich „effizienter Verfahrensführung und bestmöglicher Nutzung von Ressourcen“ arbeite.
Vielschichtiges Problem
Dazu gehören etwa der Einsatz von Verfahrensmanagern und juristischen Mitarbeitern, die Richter in komplexen Verfahren unterstützen, die elektronische Aktenführung und einige Punkte in der Reform des Strafprozessrechts, die heuer in Kraft getreten ist. Und: „Natürlich werden Erkenntnisse aus einem Verfahren wie dem Buwog-Prozess auch in den kontinuierlich laufenden Optimierungsprozess einbezogen.“
Was auffällt: Das Justizministerium adressiert in ihrer Stellungnahme nur die Arbeit der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Klar, diese stehen auch öffentlich immer wieder in der Kritik.
Tatsache ist aber: „Exorbitant lang“ gedauert hat es bei mehreren Etappen der Buwog-Causa. Insofern müsste das Ministerium auch die Arbeitsweise im eigenen Haus hinterfragen. Anders gesagt: Das Problem ist vielschichtig.
Einen Eindruck – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür bräuchte es tatsächlich eine Evaluierung – bekommt man durch eine Aussendung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde. Darin wurde der Weg bis zum erstinstanzlichen Urteil aufgeschlüsselt.
Allein der justizinterne Berichtsweg hat (inklusive einer Panne bei einer Zustellung) zwei volle Jahre in Anspruch genommen. Eine Dauer, auf die weder die Ermittler, noch die Verteidiger, denen jetzt vorgeworfen wird, sie hätten das Verfahren mit Rechtsmitteln in die Länge gezogen, Einfluss haben.
Zwei Jahre Berichtsweg
Im Oktober 2009 gab es die erste Korruptionsanzeige wegen einer dubiosen Zahlung im Zusammenhang mit der Buwog-Privatisierung (siehe Faktenkasten). Erst führte die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen; am 1. September 2011 übernahm dann die WKStA, deren Kompetenzen zu dem Zeitpunkt gerade erst auf Wirtschaftsstrafsachen ausgeweitet worden waren.
Ermittelt wurde gegen 55 Personen, es gab 700 Einvernahmen, 660 Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen und Kontenöffnungen, 40 Rechtshilfeansuchen an ausländische Behörden, sieben Gutachten von Sachverständigen sowie etliche Sichtungsverfahren und Rechtsmittel.
Im Frühjahr 2014 – also zweieinhalb Jahre nach der Übernahme – hat die WKStA ihre Ermittlungen abgeschlossen. Nach entsprechender Genehmigung der Oberstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums konnte dann im Juli 2016 endlich Anklage gegen 15 Personen eingebracht werden‚ die im April 2017 rechtskräftig wurde.
Justizminister war damals Wolfgang Brandstetter (auf ÖVP-Ticket), zuständiger Sektionschef war der mittlerweile verstorbene Christian Pilnacek.
Im Dezember 2017 begann die Hauptverhandlung, die drei Jahre dauerte. Ein Jahr verging bis zur schriftlichen Urteilsausfertigung, und …read more
Source:: Kurier.at – Politik