Am 31. Jänner 2020 ist das Vereinigte Königreich endgültig aus der Europäischen Union ausgetreten. Wie haben jene, die nach Großbritannien gezogen sind, oder die von England nach Österreich gekommen sind, die letzten fünf Jahre erlebt?
„Es hat soeben ein Erdbeben stattgefunden.“ Der BBC-Journalist David Dimbleby sprach den Satz in den frühen Morgenstunden mit gefasster Stimme aus. Er hatte seit zehn Uhr am Abend durchmoderiert und nun, kurz nach 6 Uhr Früh am 24. Juni 2016, waren genug Stimmen ausgezählt. „Was für ein absolut außergewöhnlicher Moment“, sagte er und dann verkündete er ein Wahlergebnis, das die Zukunft des Landes nachhaltig verändern würde.
Beim Brexit-Referendum hatten 52 Prozent der Briten für den Austritt und 48 Prozent für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. „We’re out“, titelte der Evening Standard. Die Daily Mail bildete auf der Titelseite einen jubelnden Nigel Farage ab.
APA/AFP/DANIEL SORABJI
„We’re out“
Doch so rasch, wie sich manche Briten den Austritt vielleicht vorgestellt hatten, ging es nicht. Erst dreieinhalb Jahre und zwei Premierminister später – am 31. Jänner 2020 – trat das Vereinigte Königreich offiziell aus der Europäischen Union aus.
Und die versprochenen Vorteile – bessere Handelsdeals, mehr Geld für den öffentlichen Dienst und Kontrolle über die Einwanderung – wollten sich auch nicht wirklich einstellen. Ökonomen von Cambridge Econometrics haben festgestellt, dass das Vereinigte Königreich bis 2035 voraussichtlich drei Millionen weniger Arbeitsplätze, 32 Prozent weniger Investitionen, 5 Prozent weniger Exporte und 16 Prozent weniger Importe haben wird, als dies ohne EU-Austritt der Fall gewesen wäre. Ihrem Bericht zufolge ist das Vereinigte Königreich durch den Brexit bis 2035 um 311 Milliarden Pfund schlechter gestellt.
Wie haben Auslandsösterreicher und eingewanderte Briten die Nachwehen des „Erdbebens“ konkret wahrgenommen?
Der KURIER hat sich bei einigen von ihnen umgehört.
Melanie Sully, Politikprofessorin in Wien: „Muss nun im Heimatland Einreisedokumente vorzeigen“
Anna-Maria Bauer
Die gebürtige Britin und Politikprofessorin Melanie Sully hat mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen
Die Sorge, dass ihr Heimatland die EU verlassen könnte, kam der Politikprofessorin Melanie Sully erstmals in den 1990er Jahren. Zehn Jahre zuvor war sie von England ins EU-Ausland nach Österreich gezogen. „Ich hatte mich in die Stadt, die Musik und die Politik verliebt.“ Doch kaum war Österreich der Europäischen Union beigetreten, begannen in England euroskeptische Stimmen laut zu werden. „Das war schon etwas absurd.” Die Referendum Party hatten damals allerdings noch keine Mehrheit. „Sie galten eher als Spinner.“
Als es 2016 schließlich zur Brexit-Abstimmung kam, war Sully nicht mehr überrascht. „Es war ein Punkt erreicht, an dem sich die Briten nicht mehr wohlfühlten.“ An der Abstimmung konnte sie jedoch nicht mehr teilnehmen; sie hatte inzwischen ihre britische Staatsbürgerschaft zugunsten der österreichischen aufgegeben. „Sonst hätte ich für ‚Remain‘ gestimmt.“
Wie ging es ihr dann mit dem Brexit? „Es war so quälend, die langen Verhandlungen mitanzusehen. Das gesamte Verfassungsgefüge wurde in diesen Jahren erschüttert.“ Bis 2020 sei so viel böses Blut vergossen worden, dass sie den tatsächlichen Abschied mit einem Seufzer der Erleichterung aufnahm. Sieht sie das fünf Jahre später auch noch so? „Ganz abgeschlossen ist der Brexit ja noch immer nicht. In manchen Bereichen zahlt England weiter an die EU. Aber …read more
Source:: Kurier.at – Politik