Der Nationalratspräsident will sich nicht in den Vordergrund spielen, heißt es. Das prinzipielle Problem bleibt aber ungelöst.
Es war eine „Fabrik“ mit nur einem Zweck: Menschen in möglichst großer Zahl zu ermorden. Mehr als eine Million Menschen, die Mehrheit davon jüdischen Glaubens, wurden im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Das KZ steht symbolisch für den größten Zivilisationsbruch der Menschheitsgeschichte. Und wenn sich am Montag die Befreiung dieser Mordfabrik zum 80. Mal jährt, wird nicht nur in Polen, sondern auch im österreichischen Parlament der Befreiung gedacht.
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, begleitet Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Gedenkfeier nach Auschwitz. An seiner statt wird allerdings niemand an der Veranstaltung im Hohen Haus teilnehmen.
Der Boykott liegt am neu gewählten Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz.
Mit Rosenkranz ist erstmals ein Freiheitlicher oberster Hausherr im Parlament. Und die IKG vermisst bei dem früheren Volksanwalt eine Abgrenzung zu Rechtsextremen sowie dem systematischen Antisemitismus. Dazu gehört etwa, dass Rosenkranz seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft „Libertas“ und deren Arierparagraf aus den 1870ern verteidigt und NS-Verbrecher und Antisemiten in einem Sammelband von Martin Graf als „Leistungsträger“ bezeichnet hat.
Die IKG meidet laut eines Vorstandsbeschlusses jeden Kontakt zur FPÖ und insbesondere zu Rosenkranz.
Bei der Gedenkveranstaltung am 27. Jänner im Parlament fällt das Nicht-Verhältnis zwischen IKG und Rosenkranz insofern nicht groß auf, als das gesamte Präsidium des Nationalrats gemeinsam mit Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler als Gastgeber auftritt und anstatt längerer Ansprachen ohnehin eine Diskussion von Zeitzeugin Erika Freeman mit Schülern geplant ist.
Schwieriger ist die Sache mit dem Kuratorium des Nationalfonds, dem Rosenkranz als Nationalratspräsident automatisch vorsteht.
Der Nationalfonds ist u.a. zuständig für Leistungen an Opfern des Nationalsozialismus, er kümmert sich um die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe und verleiht den Simon-Wiesenthal-Preis. Und für die IKG ist laut Vorstandsbeschluss klar, dass man an Sitzungen des Kuratoriums nur teilnehmen will, wenn nicht Rosenkranz, sondern sein Stellvertreter Peter Haubner (ÖVP) oder SPÖ-Stellvertreterin Doris Bures die Sitzungen führen.
Die entscheidende Frage ist nun: Wie sieht die Praxis aus? Gibt es eine Lösung?
Vorerst nicht. Ob und wie Rosenkranz beispielsweise an der Verleihung des Simon-Wiesenthal-Preises Anfang März teilnimmt, ist offen.
Rosenkranz wollte mit seinen Stellvertretern Haubner und Bures über eine Lösung der Situation beraten, dazu ist es bislang aber noch nicht gekommen.
Im Umfeld des Nationalratspräsidenten heißt es, der Präsident werde sich „keinesfalls in den Vordergrund spielen“ und maximal sensibel mit der Situation umgehen.
Ein kompletter Rückzug aus dem Nationalfonds wird bei den Freiheitlichen aber skeptisch gesehen. Eines der Argumente ist dieses: Im Nationalfonds gehe es – auch – um die Verwaltung von Steuergeld. Und kraft seiner Funktion habe der Nationalratspräsident eine Aufsichtsfunktion und hafte für die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel.
Source:: Kurier.at – Politik