Warum eine EU-Richtlinie Österreichs Medikamentenversorgung bedroht

Politik
water processing plant

Allein in Wien werden täglich 500 Millionen Liter – das sind rund 6.000 Liter pro Sekunde – von den Haushalten und Betrieben zur Hauptkläranlage geleitet, wo in drei Stufen (mechanisch, biologisch und chemisch) das Abwasser gereinigt wird. Diese Reinigung holt je nach Problemstoff zwischen 70 und 96 Prozent aus dem Abwasser – so, dass es nach 20 Stunden ausreichend gereinigt ist, um die Wasserqualität der Donau, in die das gereinigte Abwasser geleitet wird, „nicht beeinträchtigt“, schreiben die Betreiber der Ebswien Kläranlage.

Doch für die Ziele des Green Deal der EU reicht das nicht mehr: Im Vorjahr haben die EU-Staaten und das EU-Parlament (mit allen Stimmen der Österreicher, außer jenen der FPÖ) beschlossen, dass in der EU nun eine vierte Reinigungsstufe für Mikroverunreinigungen bei Anlagen ab 10.000 Einwohnern Pflicht wird. Mit dem Ziel, bis 2045 null Prozent Rückstände nach der Abwasserbehandlung zu schaffen, sind die EU-Staaten nun gefordert, die Richtlinie KARL (Kommunale Abwasser-Richtlinie) umzusetzen.

Wer zahlt?

Bei der Frage, wer die Kosten für die Errichtung und den Betrieb der vierten Klärstufe zu tragen hat, zieht die EU das Verursacherprinzip heran. Damit sind alle Hersteller (Erzeuger, Einführer oder Händler) von Produkten betroffen, die Stoffe enthalten, welche als Mikroverunreinigungen vorkommen. Im Falle der vierten Klärstufe sieht die EU vor, dass die Kosten zu mindestens 80 Prozent von den Herstellern von Humanarzneimitteln und Kosmetikprodukten getragen werden sollen.

Getty Images / ewenjc/IStockphoto.com

Doch die Kostenschätzungen variieren sehr stark. Die EU-Kommission hat mit 1,2 Milliarden Euro die mit Abstand niedrigste Schätzung, die Vereinigung der nationalen Verbände in der Abwasserentsorgung rechnen mit bis zu elf Milliarden Euro. Der heimische Branchenverband Pharmig verweist darauf, dass laut Kostenschätzung der EU-Kommission die Kosten bei etwa 2,7 Euro pro Bürger und Jahr liegen, niederländische Berechnungen gingen aber davon aus, dass die Kosten bei rund 15 Euro liegen.

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Nächster Streitpunkt: Die EU-Kommission hat argumentiert, dass „92 Prozent der giftigen Mikroschadstoffe in EU-Abwässern von Arzneimitteln und Kosmetika stammen“. Die Chemieindustrie kann diese Zahl nicht nachvollziehen und spricht von einem Anteil von nur 14 Prozent. Es sei aber ohnehin nicht zielführend, einzelne Branchen als Schuldige zu nennen, schließlich gebe es eine Vielzahl von Branchen und Industriezweigen, die für Mikroschadstoffe oder Spurenstoffe im Abwasser verantwortlich seien.

Arzneimittelversorgung

Die Pharmig sieht als Folge die künftige Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten bedroht: „Durch bestehende nationale Preis- und Erstattungsregularien und die nicht vorhandene bzw. eingeschränkte Möglichkeit für Unternehmen, die zusätzlichen Kosten weiterzugeben, werden zahlreiche Produkte wirtschaftlich unrentabel. Je nach tatsächlichen Kosten für die Errichtung und den Betrieb der 4. Reinigungsstufe könnten schätzungsweise zwischen 20 und 150 Produkte europaweit vom Markt verschwinden. Zum Beispiel: Arzneimittel, die Metformin, Amoxicillin oder Levetiracetam enthalten, wären wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Dadurch wäre die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes, Epilepsie oder bakteriellen Infektionen massiv gefährdet“, erklärt der Verband gegenüber dem KURIER. Besonders betroffen wären auch Medikamente, die bereits jetzt unter wirtschaftlichem Druck stünden, wie etwa Generika.

Inzwischen haben EU-Staaten wie Polen, aber auch zehn Unternehmen gegen KARL geklagt. Die Hoffnung ist, wie zuletzt beim Abschwächen der Klimaziele, dass der EU-Ministerrat wie auch das EU-Parlament die Richtlinie doch noch abändert.

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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