Seit Jahren schickt Belarus Flüchtlinge über die Grenze nach Polen. Jetzt hat die Regierung in Warschau das Asylrecht ausgesetzt. Menschenrechtler protestieren
„Muharrama“, also „verbotenes Land“ nennen sie ihn auf Arabisch: Jenen Streifen Niemandsland an der Grenze zwischen Belarus und Polen. Dort stranden sie nämlich, jene meist aus dem Nahen Osten stammenden Flüchtlinge, die in Polen um Asyl ansuchen wollen.
Anders als an anderen EU-Außengrenzen sind sie hierher nicht auf eigene Faust gekommen. Die Moskau-hörige Diktatur in Minsk hat sie aus ihren Heimatländern geholt und hierher an die Grenze transportiert.
Das Ziel dieser Aktionen: Polen und sein Asylsystem zu überlasten und damit für Chaos und Destabilisierung zu sorgen.
Zurückgeschoben
Die Regierung in Warschau hat schon vor Monaten beschlossen, sich dagegen zu wehren. Jetzt aber hat das Parlament endgültig ein Gesetz verabschiedet, das den Behörden das Recht gibt, das Asylrecht vorübergehend aufzuheben. Konkret heißt das für die polnische Grenzpolizei, dass sie aus Belarus stammende Asylwerber direkt an der Grenze festhält und nach Belarus zurückschickt.
Ein klarer Bruch des Asyl- und damit EU-Rechts. Schließlich ist das Asylrecht auch in den EU-Verträgen verankert. Doch Warschau sieht sich trotzdem im Recht und bekommt dabei auch Unterstützung aus der EU-Kommission in Brüssel. Russland und sein Satellitenstaat würden auf diese Weise die Flüchtlinge als Waffe benützen, erklärt das polnische Innenministerium, das sei nichts anderes als „hybride Kriegsführung“.
Auch Finnland riegelt ab
Polen geht inzwischen sogar so weit, dass man die gemeinsame Arbeit am Asyl- und Migrationspakt der EU vorübergehend aussetzt. Wie alle EU-Mitgliedsstaaten ist Polen verpflichtet, einen Plan für die praktische Umsetzung des Paktes bei der EU-Kommission vorzulegen – und zwar beim EU-Kommissar für Migration, dem Österreicher Magnus Brunner. Doch weder von dort, noch von der Spitze der EU-Kommission ist Protest über das Vorgehen Polens zu hören.
So hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen klar gemacht, dass sie solche Maßnahmen, „wenn sie vorübergehend und verhältnismäßig sind“, mit dem EU-Recht vereinbar seien. Finnland, das ebenfalls mit Wellen von Migranten konfrontiert ist, die von Russland an die Grenze geschickt werden, hat schon im Sommer ähnliche Maßnahmen beschlossen.
Die aus Finnland stammende EU-Vizepräsidentin Henna Virkkunen hat allen betroffenen Staaten die volle Unterstützung der EU zugesagt. Diese hätten die Pflicht, die EU-Außengrenzen zu schützen. Es handle sich um einen Angriff, bei dem „Migration als Waffe benützt“ werde und ein Angriff gegen ein einzelnes EU-Land sei ein Angriff auf die gesamte EU. Polen habe diese Maßnahmen in Abstimmung mit den EU-Behörden getroffen.
In Warschau jedenfalls will man an den Maßnahmen nicht nur festhalten, sondern fordert auch offen eine Anpassung des EU-Asylpakts, um für solche Situationen gerüstet zu sein.
Geht jeder eigene Wege?
Für die EU ist die Situation trotzdem heikel. Denn Polen setzt diesen Schritt in einem Moment, in dem die Unterstützung für den Asyl- und Migrationspakt ohnehin zu bröckeln beginnt. So hat sich Ungarn, gegen das wegen seines Umgangs mit Asylwerbern bereits ein Strafverfahren der EU-Kommission läuft, von dem Pakt distanziert. Andere Länder wie die Niederlande wollen ihre Asylpolitik auf eigene Faust und ohne Absprache mit Brüssel verschärfen. Italien hat mit seinem gescheiterten Experiment, Asylwerber nach Albanien auszulagern, ohnehin geltende EU-Regeln ignoriert.
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Source:: Kurier.at – Politik