Österreichs älteste Partei könnte bald regieren, ist aber weit entfernt von ihrer alten Stärke. Warum eigentlich?
Eigentlich läuft es für Andreas Babler ganz passabel. Die SPÖ hat sich – auf niedrigem Niveau – stabilisiert und könnte bald einer Regierung angehören. Man kann die Sache freilich auch anders betrachten: Schwarz-Grün war selbst bei den eigenen Funktionären unbeliebt wie wenige Regierungen. Und mit der Teuerung und den Problemen bei der Gesundheitsversorgung waren Inhalte präsent, die jahrzehntelang der SPÖ „gehörten“. Dennoch gewann man die Wahl nicht nur nicht, nein: Die SPÖ erlitt das schlechteste Ergebnis der Geschichte.
Der KURIER hat mit Günther Sandner (Uni Wien), SPD-Kenner Christian Krell (Köln) sowie Ex-SPÖ-Manager Joe Kalina gesprochen und Thesen formuliert, die zugespitzt den Zustand von Österreichs ältester Partei beschreiben:
Die SPÖ leidet unter dem Führungsproblem – immer noch
„Im vergangenen Jahr hat in der SPÖ zwar eine Klärung der Führungsfrage eingesetzt“, sagt der Politologe Krell. Zudem sind Babler-Kritiker wie Georg Dornauer von der bundespolitischen Bühne verschwunden, der Burgenländer Hans Peter Doskozil hält sich zurück. „Für eine umfassende Konsolidierung nach außen ist aber zu wenig Zeit vergangen“, sagt Krell. Der Prozess zur Geschlossenheit habe unter „enormem Zeitdruck“ stattgefunden, ein Jahr reiche nicht für den Heilungsprozess. „Nicht, wenn davor jahrelang öffentlich gestritten wird.“
Die SPÖ ist eine Stadtpartei
Die Sozialdemokratie ist nicht nur im Bund, sondern auch in Flächenbundesländern wie Ober- und Niederösterreich oder der Steiermark weit davon entfernt, eine Mehrheitsbewegung zu sein. Seit 2022 hat man alle Landtagswahlen verloren, in Salzburg und Tirol liegt man unter 20 Prozent, in Vorarlberg unter zehn Prozent. „Noch gelingt es der SPÖ in urbanen Räumen, Mehrheiten anzusprechen“, sagt Ex-Parteimanager Kalina. „Am Land ist aber flächendeckend eine dramatische kulturelle und personelle Entfremdung zu beobachten.“ Hier laute die Einschätzung der Wähler, die SPÖ beschäftige sich mit Themen, die mit ihrem Leben wenig zu tun haben. Politologe Sandner ortet ein strukturelles Problem: „Die SPÖ hat große Teile der traditionellen Wählergruppen wie die Arbeiter verloren.“ Zudem habe sich die Arbeitswelt insgesamt dramatisch verändert. „Viele Arbeitnehmerinnen fühlen sich nicht mehr an die Sozialdemokratie gebunden bzw. von ihr vertreten.“
Die SPÖ ist noch nicht in der Medien-Demokratie angekommen
Die These zeigt sich am Personal: Andreas Babler ist ein euphorischer Wahlkampfredner. „Seine Stärke liegt weniger im TV-Interview“, sagt Politologe Sandner. Gemeinsam mit dem ausbaubaren Angebot der SPÖ in den Sozialen Medien sei das ein Nachteil. Kalina vermisst im Bund die personelle Breite. Abgesehen von Babler, Klubchef Philipp Kucher und Frauenchefin Eva Maria Holzleitner würden kaum SPÖ-Funktionäre regelmäßig in digitalen Medien auftreten. Die Schwäche des digitalen Auftritts zeigt sich im Vergleich mit der FPÖ. Exemplarisch ist Instagram: Die SPÖ veröffentlicht hier vier Mal so viele Beiträge wie die FPÖ – und erreicht trotz allem um 40 Prozent weniger Follower.
Die SPÖ adressiert Wichtiges mit der falschen Sprache
„Die sozialdemokratischen Inhalte liegen auf der Straße“, sagt SPD-Kenner Krell. In ganz Europa seien Inflation und Teuerung immer noch das Gesprächsthema. Zudem hätten SPD und SPÖ durchaus Antworten. Doch Begriffe wie die das von der SPÖ propagierte „Staatsziel leistbares Leben“ seien zu abstrakt. „Die Sozialdemokratie darf nicht Konzepte erklären, sie muss …read more
Source:: Kurier.at – Politik