Was heute Marcel Hirscher ist, war einst der Radprofi Max Bulla – ein Held der Sportnation. Sein Leben wurde nun penibel aufgearbeitet. Wie funktioniert das? Und was treibt einen Sporthistoriker an?
Toni Sailer, Niki Lauda, Hans Krankl, Thomas Muster, Marcel Hirscher. Jede Generation hat ihre Sporthelden, auf die sich die ganze Nation in ihrer Bewunderung einigen kann.
Max Bulla war ein solcher Held, einer der größten Österreichs in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts – und doch ist er etwas in Vergessenheit geraten. Der 1905 geborene Wiener gewann 1931 drei Etappen der Tour de France und trug das Gelbe Trikot; er gewann die erste Ausgabe der Tour de Suisse 1933 und holte auch Etappensiege bei der Vuelta a España 1935. 26 Jahre dauerte die Karriere von Bulla. Er starb 1990 im 85. Lebensjahr. Die Bullagasse in Wien-Donaustadt ist nach ihm benannt.
Die Sporthistoriker Matthias Marschik und Rudolf Müllner haben das Leben von Max Bulla bis ins Detail rekonstruiert und aufgezeichnet. Ergebnis ist das Buch „Max Bulla, Radrennfahrer“.
Doch was treibt zwei Historiker an, sich so intensiv mit Max Bulla und dem Radsport zu beschäftigen? „Der Radsport war immens wichtig. Die Österreich-Rundfahrt wurde 1949 zum ersten Mal ausgetragen und war für dieses winzige, postfaschistische Land enorm bedeutend“, sagt Müllner. Österreich war damals noch in Besatzungszonen eingeteilt, und es war nicht klar, ob es zerbrechen wird. Die Österreich-Rundfahrt habe das Land zu einem Ganzen verbunden. „Die Begeisterung war riesig. Radfahren war der Volkssport Nummer zwei nach Fußball.“
Archiv Michael Bulla
Max Bulla auf der Radrennbahn in Hernals (3. v. li.)
In Haft der Gestapo
Um die Geschichte von Bulla aufzuarbeiten, haben Müllner und Marschik den gesamten Nachlass gesichtet und viele Interviews mit Bullas Sohn geführt. Penibel recherchiert wurde auch die nationalsozialistische Geschichte Bullas. Müllner: „Er hat sich mit dem System arrangiert, hat aber keine Parolen von sich gegeben. Er war sogar in Gestapo-Haft, wegen eines Finanzvergehens, weil er Geld in der Schweiz deponiert hat.“
Denn Geld spielte im Spitzensport schon damals eine wichtige Rolle. „Bulla ist in die richtige Zeit hineingekommen, in diese Hyperkommerzialisierung der 1930er-Jahre“, erklärt Müllner. Schon damals seien die Sportler hochprofessionell an ihren Job gegangen, etwa mit Trainingslager an der Côte d’Azur.
Dabei stammte Bulla aus einfachen Verhältnissen. Geboren in Erdberg, arbeitete er als Zeitungszusteller und fuhr dabei viel mit dem Rad. Im ersten Verein fiel sein Talent sofort auf. Bald konnte der vielseitige Athlet mit den Weltbesten mithalten, die damals vor allem aus Belgien kamen. Und das als Privatfahrer („tourist routier“), der ohne Teamunterstützung oder Mechaniker auskommen musste.
Als erster österreichischer Profi wagte Bulla den Sprung ins Ausland, nach Deutschland, nach Frankreich und in die Schweiz. „Er ist permanent für Geld gefahren, er hat wirklich viel kassiert“, sagt Müllner. „Bei der Tour de France war jeder Kilometer mit Prämien gepflastert. Wir haben einen Tagebuch-Eintrag gefunden, wo er genau dokumentiert hat, wie viel Geld er jeden Tag verdient hat.“
Mit dem Radl nach Marrakesch
Nach seiner Karriere blieb Bulla seiner Passion treu. Er war Radsport-Manager, -Händler und -Veranstalter. Gelebt hat er aber vor allem von seinem guten Ruf. Als …read more
Source:: Kurier.at – Sport