In der fünften Saison unter dem 48-Jährigen gibt es erstmals auch Kritik an einem der Vorgänger.
Als im November in Lillehammer die Skisprung-Saison losging, mischte sich bei Andreas Widhölzl ein unangenehmes Gefühl in die Vorfreude: Er hatte Schiss. „Ich habe echt Schiss, dass jeder glaubt, dass es so weitergeht und wir alles zerreißen“, gab der Cheftrainer der österreichischen Skispringer unumwunden zu.
Seine Athleten hatten im Weltcup-Winter 2023/’24 die Lufthoheit und dabei die Latte in schier unüberwindbare Höhen gelegt: 41 Podestplätze, davon 20 Siege, ein neuer Punkterekord im Nationencup, mit Stefan Kraft obendrein den Sieger im Gesamtweltcup. „So eine Saison ist schwer zu wiederholen oder zu toppen“, sinnierte Andreas Widhölzl vor dem Auftakt im KURIER-Gespräch. Wenn er sich da einmal nicht getäuscht hat.
Tatsächlich scheint noch genug Luft nach oben gewesen zu sein. Die ÖSV-Adler haben in diesem Winter eine neue Umlaufbahn erreicht und starten am Mittwoch in Garmisch mit einer Mannschaft ins Neujahrsspringen (14.00, live ORF1), die ihresgleichen sucht. Der Dreifachsieg beim Tournee-Start in Oberstdorf durch Stefan Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig war eine Machtdemonstration und ein Vorgeschmack, was bei dieser Tournee noch kommen mag. „Riesenkompliment an das ganze Team. Unsere Leute sind über den Sommer noch einmal besser geworden“, lobt Cheftrainer Andreas Widhölzl.
Teamspirit
Lob gebührt vor allem aber auch ihm. Widhölzl hat Österreichs Skispringer in den letzten Jahren wieder in andere Sphären gehoben – und zwar im Kollektiv. Olympiagold im Teambewerb 2022 sowie die klaren Triumphe im Nationencup zeigen eindrucksvoll, dass sich da eine ganze Mannschaft im Hoch befindet. „Für das Betreuerteam sind das die schönsten Erfolge“, erklärt Andreas Widhölzl.
Die Verantwortung und die Hoffnungen sind im österreichische Adlerhorst inzwischen auf vielen Schultern verteilt. Keine andere Nation stellt heute so viele Siegspringer wie Österreich: Stefan Kraft war schon vor dem Amtsantritt von Widhölzl im Frühjahr 2020 ein Winnertyp, unter dem unprätentiösen Tiroler reiften Jan Hörl und Daniel Huber zu Siegern, in dieser Saison durfte auch Daniel Tschofenig seinen Premierenerfolg im Weltcup feiern.
Widhölzl hatte schon sehr früh das Talent des Kärntners erkannt und den 18-jährigen Tschofenig vom B-Kader ins Nationalteam befördert. Heute ist er mit 22 Jahren der jüngste aktuelle Siegspringer im Weltcup. Mit Maximilian Ortner und Markus Müller erleben gerade zwei weitere 22-Jährige ihr Tournee-Debüt.
Perspektive
Widhölzl war es als Cheftrainer immer schon ein Anliegen, den jungen Athleten eine Perspektive und Chance zu eröffnen. Zu gut ist ihm noch die Zeit der legendären Superadler in Erinnerung, die er erst als Athlet und später als Assistent von Erfolgstrainer Alexander Pointner miterlebte. Nicht alles war Gold, was damals glänzte.
„Bei Pointner sind die Jungen leider nicht gehupft. Und wir hatten auf einmal ein Riesenloch“, erinnert sich Widhölzl. Einige Talente seien in dieser Zeit auf der Strecke geblieben. „Die haben irgendwann auch keine Motivation mehr, wenn sie keine Perspektive haben. Die haben sich gedacht: ,Was trainiere ich, wenn ich eh nie eine Chance kriege.’“
Meilenstein
Andreas Widhölzl erlebt zwar erst seine fünfte Saison als Cheftrainer, aber er hat schon eine Ära geprägt – und dabei auch Skisprunggeschichte geschrieben. So ist der 48-Jährige der Einzige, der sowohl als Springer (2006) als auch …read more
Source:: Kurier.at – Sport