Sie sollen die klaffende Arbeitskräfte-Lücke füllen. Doch die Hürden sind groß. Warum der Sprung in völlig neue Jobs selten gelingt.
Martin B. (Name wurde von der Redaktion geändert) war unzufrieden. Wollte weg von den ungünstigen Arbeitszeiten und den Wochenendschichten der Gastronomie. „Nach zehn Jahren habe ich gemerkt, dass mir meine Freizeit wichtiger ist“, sagt der ehemalige Koch. Damals, mit Ende zwanzig, konnte er sich beruflich noch umorientieren, meint er. Also suchte er nach Neuem. „Etwas, wo man mit seinen Händen arbeiten kann.“ Friseur war für ihn nicht weit hergeholt. 18 Monate lang dauerte seine Ausbildung, inklusive Abschlussprüfung. Seither arbeitet er in einem Friseur-Salon. Eine Entscheidung, die er nicht bereut. „Für mich war das genau richtig.“
Martin B. ist ein Quereinsteiger, bei dem der Umstieg funktioniert hat. Könnten solche Umsteiger das Wundermittel gegen den Arbeitskräftemangel sein? Sind sie die dringend gebrauchten Lückenfüller?
Das Wundermittel
Das hinterfragte auch das Job-Portal „Xing“ und bat 150 heimische Recruiter um ihre Einschätzung. Das Ergebnis: „41 Prozent sind überzeugt, dass Quereinsteiger helfen können, den Fachkräftemangel zu lösen“, so Sandra Bascha von Xing. Mehr als die Hälfte zweifelt aber daran. Warum?
Ende September verzeichnete der Stellenmonitor des Wirtschaftsbunds 161.434 offene Stellen in Österreich. Parallel dazu waren 279.730 Personen arbeitslos gemeldet. Der naive Lösungsansatz: Diese Personen zu Quereinsteigern machen. Umschulen und in jenen Branchen einsetzen, die aktuell Bedarf haben. Klingt ideal, funktioniert aber in dieser Form nicht oder nur selten. Trotzdem wäre ein Potenzial da, den Mangel etwas zu lindern, sagt Bascha. Für Unternehmen wäre es sinnvoll, Quereinsteiger für Neubesetzungen zumindest auf dem Radar zu haben. Denn ausgebildete Qualifikationen sind nicht mehr nur das einzige ausschlaggebende Kriterium für eine Anstellung.
Neue Ansprüche
„Soziale Fähigkeiten rücken vermehrt in den Vordergrund“, erklärt der Wiener Unternehmensberater Arthur Zoglauer. „Man sucht Teamplayer, Personen mit starkem Auftreten und neuen Perspektiven.“ Das fehlende Fachwissen könne man vergleichsweise schnell anlernen. „Das nennt man Hire of Attitude, also Persönlichkeitsanstellung“, so der Experte.
Bettina Hauser, HR-Leiterin von Hofer, bestätigt das aus ihrem Recruiting-Alltag: „In unserem Bewerbungsprozess im Handel geht es vielmehr um persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften, als um Fachwissen“, sagt sie. Motivierte Quereinsteiger, unabhängig von ihrem bisherigen beruflichen Werdegang, würden Erfahrungen, neue Kenntnisse und Motivation bringen. „Sie sind bei uns gern gesehen“, sagt die Hofer-Personalchefin.
Laut der Xing-Studie werden Quereinsteiger sogar von acht Prozent der Recruiter bei der Neubesetzung von Stellen bevorzugt. In manchen Berufen würde man sogar fast ausschließlich auf Quereinsteiger setzen. Etwa in der Bestattungsbranche. Warum? „Weil es hier keine richtige Ausbildung gibt“, sagt Alexander Hovorka Geschäftsführer von Bestattung Himmelblau. Deswegen freut er sich über jeden Elektriker, Koch, Malermeister oder Schauspieler, der in seinen Bestattungsbetrieb quereinsteigt. Ausgebildet werden sie dann vom Unternehmen.
Fehlendes Fachwissen
Generell zeigt sich: Wie offen Unternehmen gegenüber Quereinsteigern sind, ist eine Branchenfrage. Das belegt auch die Studie. Besonders offen ist, wenig überraschend, das Gastgewerbe. Gefolgt von Transport und Logistik sowie Handel. Dass andere Branchen weniger aufgeschlossen sind, ergibt sich aus dem Aufgabenfeld, sagt Arthur Zoglauer: „Gewisse Tätigkeiten gibt man nicht aus der Hand, weil es Wissen braucht. Als Quereinsteiger wird man zum Beispiel selten ein Pilot.“ Und: 21 Prozent der befragten Recruiter …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft