Hat man als Kunde eine Frage, muss man an KI-Chatbots und Warteschleifen vorbei. Sind Firmen absichtlich unerreichbar geworden? Der KURIER macht den Test.
Was ist das für eine Abbuchung auf dem Konto? Warum lag die Zeitung nicht vor der Tür? Warum spinnt das Internet schon wieder? Und wo ist eigentlich die bestellte Pizza? Wer als Kunde Antworten auf diese Fragen sucht, muss sich heute – so die vielfache Erfahrung – gedulden. Der Direktkontakt zu Unternehmen und zu echten Menschen wurde erschwert. Telefonnummern herauszufinden, verlangt teilweise detektivische Künste ab. Dafür springt einem ungefragt der Chatbot vom Smartphone ins Gesicht. Tonbänder erzählen etwas von hilfreichen Tipps zur Selbsthilfe, bevor sie nicht selten eigenmächtig das „Gespräch“ beenden.
Führten einst alle Wege nach Rom, führen sie heute zu den „häufig gestellten Fragen“ auf der Webseite. „Hat Ihnen diese Auskunft geholfen?“, fragt die KI unschuldig. Und schließt auch bei einem NEIN!!! den Chat mit einem freundlichen Danke ab.
Will man Sie häkln?
Dass die Technik an manchen Stellen noch nicht ausgereift ist, steht außer Frage. Dass man durch die Automatisierung Kunden aber möglichst fernhalten oder gar abschrecken will, ist sicher nicht der Fall, stellt Alexander Oswald klar: „Kein Unternehmen wird sagen: Wir machen es für Kunden jetzt absichtlich mühsam.“
Oswald ist Präsident der Österreichischen Marketing Gesellschaft, hält Vorträge rund um Kundenservice und KI und war selbst 15 Jahre in Konzernen tätig, u. a. bei Nokia. Er ist überzeugt: Firmen, die ihren Kunden einen guten Service bieten wollen, müssen sogar auf KI und Co. zurückgreifen. „Anders kriegt man das nicht gebacken.“
Denn: Je größer und flächendeckender Firmen sind, desto mehr Kunden haben sie logischerweise. „Bei 10.000 Anrufen pro Tag geht es sich einfach nicht mehr aus.“ Außerdem ist die Gesellschaft flexibler und damit auch ungeduldiger geworden. „Wenn ich um 23.15 Uhr ein Problem habe, will ich trotzdem sofort jemanden erreichen und eine Antwort haben. Und gerade da sind stark technisch-basierte Lösungen ein gutes System“, sagt Oswald.
Die Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit ist somit ein wesentlicher Faktor, warum sich Firmen vermehrt vom Menschen am anderen Ende der Leitung verabschieden. Aber nicht der Einzige.
Klarnas kurzer Prozess: Den Kundendienst macht die KI
Auch das Personal spielt in vielerlei Hinsicht hinein. Zum einen kostet es, zum anderen ist es schwierig zu finden. Der schwedische Finanzdienstleister Klarna machte deshalb kurzen Prozess, übergab Kundenanfragen primär an die KI, kürzte die Stellen vorerst von 5.000 auf 3.800 und fährt jetzt mit deutlich weniger Personal mehr Umsatz ein. Weitere Resultate? Die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Kundenanfragen soll sich von elf auf zwei Minuten verkürzt und der Umsatz pro Mitarbeiter binnen eines Jahres um 73 Prozent gesteigert haben. Klingt nach Win-Win für alle Seiten. Sofern die KI den Kunden wirklich zufriedenstellende Ergebnisse liefert.
Das Premium-Erlebnis: Der echte Mensch am anderen Ende der Leitung
Die Umstellungsphase kann herausfordernd sein, weiß Oswald. Auch bei McDonald’s begegnete man den Selbstbedienungsautomaten anfangs skeptisch. „Heute stehen die Menschen beim Automaten Schlange statt zum Menschen an den Schalter zu gehen.“ Als Unternehmen müsse man den Wandel aber begleiten, sagt er. Und sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Position der Kunden begeben.
Wie gut …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft