
ProGe-Vorsitzender wirft den Ökonomen mangelhafte Prognosen und Stimmungsmache für die Arbeitgeber vor.
Damit der Wirtschaftsmotor wieder anspringt, sollte auch die Gewerkschaft bei den Kollektivvertragsverhandlungen eine gewisse „Lohnzurückhaltung an den Tag legen“, sagten die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS, Gabriel Felbermayr und Holger Bonin bei ihrer Frühjahrsprognose.
Die zornige Reaktion der Gewerkschaft ließ nicht lange auf sich warten. Ungewöhnlich scharf reagierte am Freitag Reinhold Binder, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft ProGe. Er wirft den „Spitzenökonomen“ vor, während der laufenden Frühjahrslohnrunde bewusst schlechte Stimmung zu verbreiten, um die Verhandlungsbasis der Arbeitgeber zu stärken: „Solche Zurufe von Ökonomen sind letztklassig“, so Binder zum KURIER.
Löhne und Gehälter würden zwischen den Sozialpartnern am Verhandlungstisch vereinbart und nicht von Volkswirten angeordnet. Die wirtschaftliche Lage sei je nach Branche höchst unterschiedlich, bei Weitem nicht allen Betrieben gehe es schlecht.
Einseitige Betrachtung
Die Kostenbetrachtung der Ökonomen sei einseitig auf die Arbeitnehmer ausgerichtet, argumentiert Binder. Hohe Gewinnausschüttungen in Zeiten einer hartnäckigen Rezession hätten die Volkswirte mit keinem Wort erwähnt. Für die gestiegenen Energiekosten dürften nicht die Beschäftigten zur Kassa gebeten werden. Diese stünden ohnehin unter Druck.
Kritik übt der Gewerkschafter auch an der Erstellung der Konjunkturprognosen. Wifo und IHS blieben endgültige Budgetzahlen für 2024 schuldig, zugleich hätten sie die in Deutschland beschlossene Konjunkturspritze nicht in die Prognose miteinbezogen. Die Frühjahrslohnrunde in der Elektro- und chemischen Industrie verlaufe bisher sehr konstruktiv.
Die Industrie-Arbeitgeber stöhnen unter den hohen Lohnabschlüssen der letzten Jahre und begrüßen daher die Ansage der Ökonomen. Mit konkreten Aussagen, was dies für die KV-Verhandlungen bedeute, halten sie sich auf Anfrage jedoch zurück.
Lohnplus zu hoch?
Der häufig geäußerten Kritik an der außergewöhnlichen Lohnsteigerung von 20 Prozent seit 2022 kontert die ProGe mit eigenen Berechnungen. Diese sei nicht überhöht, sondern bilde im Wesentlichen die Inflation ab. Die für niedrige Einkommen maßgebliche Teuerung beim täglichen Einkauf (Micro-Warenkorb) stieg im selben Zeitraum um 44,7 Prozent. Zugleich wurden die Aktionäre großzügig bedient. Die Ausschüttungsquote der größten Unternehmen Österreichs lag 2023 noch immer bei 64 Prozent.
KV-Abschlüsse unter der Inflationsrate oder gar Nulllohnrunden würden nur zu einer weiteren Konsumzurückhaltung führen und die Wirtschaft nicht ankurbeln. Bei einer Inflation von zwei Prozent würde bei einer dreijährigen Nulllohnrunde das Urlaubs- und Weihnachtsgeld von der Teuerung aufgefressen, errechnete die ProGe.
Härtefallklausel
Um die Lohnhärte für die Betriebe etwas abzufedern, verfügen die Sozialpartner durchaus über einige Werkzeuge. In der Metallindustrie wurde 2023 eine Härtefallklausel eingeführt, wodurch besonders personalintensive Firmen mit schwacher Auftragslage nicht die gesamte KV-Erhöhung umsetzen müssen. Mehr als 100 Betriebe nutzten diese Klausel.
In der Elektroindustrie wird die so genannte Freizeitoption neu verhandelt. Sie ermöglicht, durch Einzelvereinbarung die KV-Erhöhung in mehr Freizeit umzuwandeln. Die Option war beispielgebend für andere Branchen wie etwa dem Handel.
Source:: Kurier.at – Wirtschaft