
Caroline Darian glaubt, ihr Vater Pelicot habe auch sie betäubt und sexuell missbraucht, aber im Gegensatz zu ihrer Mutter fehlen ihr Beweise.
Ihre Mutter Gisèle Pelicot hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, seit der Prozess gegen 51 Männer im Dezember mit 51 Urteilen endete. Deren Ex-Mann Dominique Pelicot, der sie jahrelang betäubt und von unbekannten Männern vergewaltigen ließ, erhielt dabei die Höchststrafe von 20 Jahren.
In fremder Unterwäsche im Bett
Doch Caroline Darian, die Tochter, kämpft weiter. Gerade hat sie Klage gegen ihren Vater eingereicht, den sie verdächtigt, auch sie sexuell missbraucht zu haben, nachdem er ihr Schlafmittel verabreichte. Denn von ihr wurden Fotos auf dem Computer von Dominique Pelicot gefunden, die sie in einer für sie ungewöhnlichen Schlafposition, nackt oder in fremder Unterwäsche, zeigen.
Er streitet ab, sich an ihr vergangen zu haben, doch die 46-Jährige glaubt ihm nicht: „Er hat während der Ermittlungen mehrfach gelogen und verschiedene Geschichten erfunden.“ Das Gericht befand ihn lediglich für schuldig, von seiner Tochter und den beiden Schwiegertöchtern heimlich intime Fotos aufgenommen und sie im Internet mit obszönen Kommentaren versehen verbreitet zu haben.
Ihre eigene Sicht der viermonatigen Verhandlung als Tochter des Opfers und Haupttäters zugleich schildert Darian in ihrem neu erschienen Buch „Damit man sich erinnert“ („Pour que l’on se souvienne“).
„Werde dich nie wieder Papa nennen“
Der Titel spielt auf den Gedächtnisverlust der Opfer von „chemischer Unterwerfung“ an, also der Beigabe von Medikamenten, um sie wehrlos zu machen – auf Deutsch ist meist von K.O.-Tropfen die Rede. Mit ihrem Verein „Schläfere mich nicht ein“ („M’endors pas“) setzt sie sich für mehr Bewusstsein für dieses weit verbreitete Problem ein. Ihr erstes Buch „Und ich werde dich nie wieder Papa nennen“ ist inzwischen in 19 Sprachen erschienen, auch auf Deutsch.
20.000 Fotos und Videos
Das zweite, so sagte sie nun in einer Fernsehsendung, sei für sie noch wichtiger. „Ich repräsentiere 95 oder gar 99 Prozent der Opfer, die sich unsichtbar fühlen, weil sie nicht wie meine Mutter vor Gericht alle Beweise auf dem Tisch liegen haben, um als Opfer anerkannt zu werden.“ Diese Anerkennung sei aber wichtig für den psychischen Wiederaufbau. Von Gisèle Pelicots Vergewaltigungen gab es 20.000 Videos und Fotos, die als schaurige Beweise dienten.
Darian ist nicht Carolines wirklicher Nachname, sondern ein Pseudonym, das sich aus den Vornamen ihrer Brüder zusammensetzt: David und Florian. Von ihnen fühlt sie sich unterstützt, nicht aber von ihrer Mutter. Sie wirft Gisèle Pelicot vor, sich nicht einzugestehen, dass sich ihr Ex-Mann auch an der gemeinsamen Tochter vergriffen haben könnte. Zwischen beiden Frauen herrscht Distanz.
Es ist ein unerbittlicher Blick auf die 72-Jährige, die durch ihre aufrechte Haltung, ihren Mut, einen öffentlichen Prozess zu fordern, und ihren Kampf im Namen aller Opfer sexueller Gewalt eine weltweit verehrte Ikone wurde. In mehreren französischen Städten gibt es Fresken von der zierlichen Seniorin mit dem rötlichen Pagenkopf. Das US-amerikanische „Time Magazine“ kürte sie zur „Frau des Jahres“, Frankreichs größte Verlage rissen sich um das Recht auf ihre Autobiografie.
Frau ermordet?
Noch immer erhält sie Pakete, Briefe und etliche Einladungen: vom französischen Senat, der …read more
Source:: Kurier.at – Politik