
Die eine liest „Lolita“, die andere James Baldwin. Agnes und Lydie sind Literaturstudentinnen auf einer Universität im ländlichen Massachusetts. Beide schreiben an ihrer Dissertation, sind beste Freundinnen und wohnen zusammen. Auch ins Literaturseminar gehen sie gemeinsam, wo ihr Lieblingsprofessor Preston Decker seiner Gunst verteilt.
Polyfilm/A24
Beste Freundinnen: Eva Victor (li.) und Naomi Ackie in „Sorry, Baby“.
Agnes ist eindeutig Deckers bevorzugte Studentin. Er findet ihre wissenschaftlichen Beobachtungen genial und lobt sie bei jeder Gelegenheit. Bei einer verabredeten Sprechstunde ist er allerdings nicht in seinem Büro. Per SMS bittet er die Studentin, doch ausnahmsweise zu ihm nach Hause zu kommen. Noch bei Tageslicht verschwindet sie hinter seiner Haustür.
Die Kamera wartet draußen. Langsam wird es dunkel. Irgendwann springt die Tür wieder auf und Agnes taumelt heraus. Erst zu Hause bei Lydie wird sie in einem von Selbstzweifel unterbrochenen Monolog ihre Erlebnisse rekapitulieren und von der Vergewaltigung erzählen.
Eva Victor hat in ihrem Regiedebüt auch die Hauptrolle übernommen und liefert als Agnes ein Meisterstück an schauspielerischem Understatement. Zudem erzählt sie die Ereignisse keineswegs chronologisch, sondern in Schüben. Manche davon sind dramatisch, manche absurd komisch.
Panikattacke
Mit dunklem Humor unternimmt die Regisseurin eine sensible Zustandsbeschreibung, die ein Leben vor und nach der Tat beschreibt. Manchmal bleibt Agnes souverän und leichtfüßig – etwa, wenn sie eine Babykatze vom Boden aufklaubt und dann in den Supermarkt einschmuggelt –, manchmal kämpft sie mit einer Panikattacke. Normalität ist nach dem Angriff keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern muss immer wieder neu hergestellt werden. Eva Victor erzählt von diesen Anstrengungen mit leiser Melancholie, aber auch mit großer Zuversicht.
INFO: USA 2025. 103 Min. Von und mit Eva Victor; mit Naomi Ackie, Lucas Hedges.
Source:: Kurier.at – Kultur



