„Bling!“ bei den Festwochen: Freiheitskampf in der Schatzkammer

Kultur

Buhle Ngaba spielt in „Bling!“ den größten je gefundenen Diamanten und verhandelt flott und humorvoll postkoloniale Debatten.

Als es damals auf dem Sarg von Queen Elizabeth II. lag, haben sich Kontrollzwängler schon gefragt, ob das Zepter eh nicht runterkullert. Buhle Ngaba erzählt in „Bling!“ eine Geschichte, die noch unwahrscheinlicher ist. Sie spielt in dieser Performance den Diamanten, der in diese Insignie, die dem britischen Monarchen gehört, eingearbeitet ist. Der Cullinan-Diamant ist der größte jemals gefundene Diamant. Dargestellt von Ngaba hat er einen Vornamen, Phatsima, das bedeutet „funkeln“. Phatsima hat sich aus dem Zepter befreit, in dem sie ein bisschen rumgeruckelt hat in der Vitrine, in der sie 100 Jahre eingesperrt war. Dann hat sie sich vom Tower-Hofhund verspeisen und wieder verdauen lassen und ist sie in die Tasche der südafrikanischen Juwelenputzfrau Thandeka gehüpft. Und ist mir ihr in ihre Heimat zurückgekehrt. Denn in Südafrika war der Cullinan 1905 gefunden worden.

Schon Milliarden Jahre gefangen

Zu Beginn des Stücks im Nestroyhof Hamakom ist Phatsima aber wieder gefangen. Das ist für sie aber ohnehin so etwas wie eine Tradition. Immerhin war sie Milliarden Jahre in der Erde eingeschlossen. Sie steht nun vor Gericht, in einer orangenen Gefängnis-Uniform, mit Diamant-Kartoffeldruck und viel Strassbling versehen. Sie muss sich vor Gericht wegen Betrugs verantworten. Man wirft ihr vor, eine Fälschung zu sein – und Investoren abgezockt zu haben mit ihrem Diamant-Nagelstudio. Erst zum Schluss kommt heraus, dass sie selbst über den Tisch gezogen wurde von korrupten Politikern. Dazwischen gerät sie noch in einen Aufstand von Minenarbeitern, der von der Polizei gnadenlos niedergeschossen wird. Die Leichen fallen alle ins „Big Hole“, so heißt eine stillgelegte Diamantenmine, die als größtes, von Hand gegrabenes Loch der Welt gilt. 

  „Seit Jahren wird der Kompromiss madig gemacht“

Die Metaphorik von „Bling!“ ist zwar einfach verstanden, ist aber dann doch viel mehr als eine Parabel auf die Unterdrückung durch die Kolonialmächte. Ngaba erzählt vom Funktionen und damit Systemen, die immer vererbt werden, nie aufhören: die Juwelenreiniger im Palast genauso wie die unerbittlichen Chefs der Minenarbeiter, wie die Minenarbeiter selbst. Phatsima erkennt den Finger, der sie ausgegraben hat, Generationen später wieder. 

Seifenblasen-Schampus

Buhle Ngabas Ein-Frau-Performances (2022 war sie mit „Swan Song“ bei den Festwochen zu Gast) sind nie übertrieben ernste Veranstaltungen. Sie infiltriert Humor mit cleverem Einsatz von unerwarteten Requisiten – hier ist etwa eine Seifenblasenkanone im Dauereinsatz, unter anderem als Champagnerflasche. In ihrer Social Media Kampagne (der man auf Instagram übrigens auch „in echt“ folgen kann) für die Nagelstudios stattet sie auch der Wiener Schatzkammer einen Besuch ab und haucht in jede Vitrine ein „Ich werde dich bald befreien!“ 

„Bling!“ nimmt das Tempo der TikTok-Generation auf, arbeitet aber auch zum Beispiel mit dem Monroe-Klischeeschlager „Diamonds are a girl’s best friend“ Immer wieder gibt es Glossar-artige Erklärungen, die, wenn man schnell genug liest, eine zynische Beschreibung der Zustände in Südafrika ergeben. Am Ende landet Phatsima wieder in der Vitrine im Tower. Ist sie dort einfach besser aufgehoben? Ein mit leichter Hand geführter Abend, der aber doch schwere Fragen aufwirft. 

 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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