Christian Krachts neuer Roman „Air“: Schön leer hier

Kultur

Christian Kracht spielt in seinem neuen Roman „Air“ den verkitschten Traum vom angeblich schönen ursprünglichen Leben durch

Der Schweizer Christian Kracht ist eine anhaltend interessante Figur in der Literaturbranche. Seit seinem Debüt „Faserland“ mischt er die Gewichtigkeitspose der deutschen Großliteratur auf: Seine Texte sind verspielt und seltsam leicht und überschlau.

Kracht hantiert geradezu alleskönnerisch mit seinem flotten, sehr heutigen Material, darunter die Popkultur und die Literaturgeschichte und die bittere Seite des Weltgeschehens.

Und er sah sich dem (heftig umstrittenen) Vorwurf ausgesetzt, mit seinem behänden Textspiel neurechte Diskurse vorwegzunehmen.

Also gegen die Vernunft und gegen die Moderne anzuschreiben, indem er deren Grenzen allzu leichtherzig verwische. Seine Bücher erinnern dabei an die US-Superautoren mit ihrem Übermaß an Erzählkunst, bei deren Buchblockbustern man nach der letzten Seite fast neidvoll beeindruckt und zugleich völlig erschlagen zurückbleibt.

Neue Romane von Kracht liest man also im leichten Alarmmodus: Man beobachtet sich dabei, wie man sich ziemlich gut unterhält. Und fragt sich, ob man sich nicht stattdessen irgendwelche gescheiten Gedanken machen sollte, auf die man jetzt gerade aber nicht kommt.

So auch nun bei „Air“. Das ist ein flottes, luftiges Buch, das viel Schönes zur Instagram-Tauglichkeit des nordischen Design-Minimalismus zu sagen hat. Paul ist irgendwie zum Innendesigner geworden, der um absurd teures Geld die Wohn- und Geschäftsräume der Reichen leer räumt. Gegenstände hat jeder, aber Leere muss man sich leisten können. Paul ist auch Fan eines Magazins, das „das als begehrenswert abbildete, was die Moderne selbst vorher zerstört hatte“, mit Texten etwa über den letzten japanischen Bürstenbinder. Hier schrillen die Kracht-Alarmglocken: Die Moderne als Zerstörer des Guten und Ursprünglichen, das ist doch Rechtskitsch, denkt man sich.

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Alles nur Marketing

Aber das weiß Kracht natürlich auch: Diese Retromaschine, die in TV-Sendern und Magazinen so tut, als ob es früher besser gewesen wäre, weil die Menschen fast ohne Besitz, dafür ästhetisch erfüllt gelebt haben sollen, tut auf antikapitalistisch. Sie liefert aber natürlich nur zynische, gut vermarktbare Fiktion.

Und mitten in dieser Fiktion spielt dann der Hauptteil von „Air“: Paul soll eigentlich für das Magazin „das perfekte Weiß“ finden, findet sich aber plötzlich in einer durch eine Seuche leer geräumten Ritterwelt wieder (man hat so seine Theorie, warum). Es gibt dort wenig zu essen und keine Medikamente und einen rabiaten Herrscher. Aber eben auch schön karge Innenräume und den Ernst des Lebens und Sterbens. Paul ist in seinen Designtraum gefallen. Es ist, klar, ein flacher Albtraum.

Cover

Christian Kracht:
„Air“ 
Kiepenheuer & Witsch.  
224 Seiten.
25,70 Euro 

KURIER-Wertung: 4 von 5 Sternen

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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