
Christopher Rüping, 1985 in Hannover geboren, brachte 2019 an den Münchner Kammerspielen den zehnstündigen Theatermarathon „Dionysos Stadt“ heraus, der nicht nur mit einem Nestroy ausgezeichnet wurde: Das Online-Magazin „nachtkritik.de“ hat die Kompilation antiker Stoffe erst kürzlich auf Platz 3 seiner „Top 100 Theaterabende des 21. Jahrhunderts“ gereiht.
Und nun bringt der gefragte Regisseur „All About Earthquakes“ als Koproduktion mit Bochum bei den Wiener Festwochen zur Uraufführung: Er kombiniert „All About Love“ von Bell Hooks mit Heinrich von Kleists Novelle „Das Erdbeben von Chile“. Er arbeitet wieder mit seinem vertrauten Team (Bühne: Jonathan Mertz, Kostüme: Lene Schwind, Musik: Jonas Holle und Matze Pröllochs) und verspricht großes Theater – mit vielen Schauspielerinnen und Musikern.
KURIER: Gratulation zu Platz drei der Top-100-Theaterabende!
Christopher Rüping: Vielen Dank. Es ist schwierig, eine derart aufwendige Produktion wie „Dionysos Stadt“ am Leben zu erhalten. Die letzte Vorstellung war Anfang des Jahres und ich hege die Hoffnung, dass sie bald auf den Spielplan zurückkehrt.
Es fällt auf: Sie haben noch nie in Österreich inszeniert.
Wir waren vor drei Jahren mit „Ring des Nibelungen“ zu Gast bei den Festwochen. Aber ja: In Österreich zu inszenieren, steht schon lange an! In Deutschland ist das Theater bedroht, spätestens seit Corona wird andauernd die Relevanzfrage gestellt. Das Theater hat in Wien einen ganz anderen Stellenwert: Die Menschen können sich dafür begeistern und auch darüber aufregen. Das ist super.
Ist es wirklich so toll hierzulande?
Rauben Sie mir nicht meine Illusionen! Zumindest höre ich von meinen Kolleginnen und Kollegen, dass das Attribut Burgschauspielerin einen bei der Wohnungssuche nach vorne auf die Warteliste springen lässt. Das spricht doch für eine gewisse Wertschätzung, oder? Daran hänge ich jedenfalls meine ganze Hoffnung!
Warum haben Sie nie in Wien inszeniert? Gab es keine Angebote?
Das schon, aber für mich als Regisseur ist es wichtig, in kontinuierlichen Arbeitsbeziehungen zu arbeiten. Ich war eben Hausregisseur in München und danach in Zürich. Man macht an seinem Haus zwei Sachen in der Spielzeit, mehr geht eigentlich nicht. Zumal ich jetzt auch Vater geworden bin. Und wenn ich doch noch ein zusätzliches Projekt realisiere, dann eben mit einem Theater, mit dem ich schon eine Arbeitsbeziehung habe, zum Beispiel mit dem Thalia Theater in Hamburg oder dem Deutschen Theater in Berlin. Oder mit dem Schauspielhaus Bochum, an dem ich jetzt gerade probe. Die Möglichkeiten, neue, auch auf Kontinuität angelegte Verbindungen mit Häusern zum Beispiel in Österreich einzugehen, ist für mich begrenzt. Deswegen bin ich froh, dass „All About Earthquakes“ eine Koproduktion mit den Wiener Festwochen ist. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des Austausches, den ich für wichtig erachte.
Sie kombinieren zwei Bücher. „Das Erdbeben in Chile“ handelt von einer großen Liebe, die an ihre Grenzen stößt. Und Bell Hooks schreibt in „Alles über Liebe“, dass die echte Liebe an ihre Grenzen stößt – etwa aufgrund von Strukturen patriarchaler Natur. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Es war nicht so, dass die Festwochen einfach diese Produktionen eingekauft haben. Milo Rau sagte mir im Gespräch, dass er sich in seiner zweiten Ausgabe mit dem Thema Liebe beschäftigen will – nicht so sehr im romantischen Sinne, …read more
Source:: Kurier.at – Kultur