„Curated by“: Ideen, gespiegelt und ums Eck gebogen

Kultur

Das Wiener Galerienfestival, heuer in seiner 16. Auflage, will zur Beschäftigung mit Archiven aller Art anregen

Die Kunstmarkt-Party hatte gerade angefangen, das Vernissagenpublikum war schwer damit beschäftigt, zu überlegen, welches Event es wohl als nächstes aufsuchen würde – da platzte am vergangenen Donnerstag die Meldung vom Ableben des großen Malers Jürgen Messensee in die Runde.

Neben Ernüchterung und Trauer rief das Ereignis auch eine für die Kunstwelt ganz zentrale Frage in Erinnerung: Wie geht es mit einem künstlerischen Werk weiter, wenn die Person, die es geschaffen hat, nicht mehr da ist? Wer kümmert sich darum, wer hat das Verständnis dafür, wer verfügt über die oft ausufernden Archive? Solche Fragen sind für den Status eines Werks am Markt, vor allem aber für das Weiterleben von Ideen bedeutsam.

Der Zufall will es, dass sich just das Galerienfestival „Curated by“ heuer mit Archiven befasst. Für das von der Stadt Wien und dem Kulturministerium geförderte Festival werden seit 2009 internationale Kuratorinnen und Kuratoren eingeladen, eine Schau in einer von 24 Wiener Galerien zu gestalten. Das Vernetzungstreffen, gilt in Fachkreisen mittlerweile als Wiener Alleinstellungsmerkmal und strahlt über den Eventcharakter des Kunstmesse-Herbsts hinaus.

Entdeckungen

Für manche der geladenen Kuratorinnen ist das Überthema „Untold Narratives“ (Kunstsprech für „Unerzählte Geschichten“) schlicht ein Anlass, vergessenen oder unzureichend bekannten Personen einen Auftritt zu geben: So zeigt etwa die Italienerin Roberta Tenconi in der Dependance der Galerie nächst St. Stephan (Domgasse 6) eine präzise, kleine Werkschau der Künstlerin Amalia del Ponte. 1936 in Mailand geboren, designte sie in den 1960ern Geschäfte für Modemarken wie Fiorucci, während sie als Künstlerin mit Prismen aus Plexiglas experimentierte, die für optische Verschiebungen im Raumgefüge sorgen. Eine Skulptur, mit der sie 1973 einen Preis der Biennale in São Paulo gewann, ist auch in der Wiener Schau zu sehen, um 210.000 Euro ist es auch zu erwerben.

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Archivio ADP/Amalia Del Ponte

Bei „Curated by“ geht es jedoch nicht zentral um den Verkauf, sondern stets auch darum, ums Eck zu denken und andere Formen der Präsentation auszuprobieren. Etwa in der Galerie Charim (Dorotheergasse 12), wo der dänische Kurator Kristian Vistrup Madsen das Werk der 1942 geborenen Malerin und Zeichnerin Inge Grünwaldt Svensson zum Kristallisationskern einer Gruppenschau macht, die den Bogen von Svenssons zarten Meeresoberflächen-Zeichnungen hin zur Land Art der 1970er-Jahre und deren Echos in der Gegenwart spannt.

9/11-Memorial daheim

Eine Art Zimmerbrunnen mit zwei Bassins, deren Form an das „9/11“-Memorial in New York erinnert, wird da etwa mit einer Rauminstallation kurzgeschlossen, in der Lebensmittel in Archivboxen modern; eine Ansammlung verschiedener Virentests soll daneben Auskunft über die „innere Landschaft“ eines Hypochonders geben.

Um die Referenzen zu deuten, muss man auf Zack sein (es gibt Führungen und auskunftsfreudiges Personal), dennoch ist es eine Freude, sich in so ein Arrangement zu versenken, bleibt es doch in sich logisch und führt zu neuen Perspektiven.

Galerie Micheline Szwajcer

Die Pfade zu Entdeckungen sind dabei vielfältig: Bei Zeller van Almsick (Franz Josefs-Kai 3) etwa lernt man den 2017 verstorbenen Niederländer Daan van Golden kennen, der in Tapetenmustern und Karodeckerln Analogien zu großer Kunst erblickte; bei Wonnerth Dejaco (Ballgasse 6) die Künstlerin Rebecca Jagoe, die einen Liebesbrief …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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