Daniel Kehlmann: „So geistlos ist nicht einmal Cancel Culture“

Kultur

Daniel Kehlmann und Omri Boehm gaben im Volkstheater eine Kant-Schnupperstunde mit Einleitung

Als Österreicher, sagte Daniel Kehlmann am Montagabend im Wiener Volkstheater,  sei ihm jetzt wieder Gert Bacher eingefallen. Der ehemalige ORF-Chef habe einmal gesagt, in Österreich werde alles entweder zur Katastrophe oder zur Lächerlichkeit. 
Kehlmann bezog sich damit auf die Debatte um den israelischen Philosophen Omri Boehm und dessen umstrittenen  Auftritt im  Rahmen der Wiener Festwochen am Judenplatz. „Den falschen Redner am falschen Ort“, hatte ihn etwa Oskar Deutsch,  Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde genannt. 

Kehlmann: „Ich bin der Kultusgemeinde eigentlich verbunden. Aber in diesem Fall müssen Deutsch und Muzicant (auch Ariel Muzicant, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, hatte Kritik geübt, Anm.) von irgendjemandem gehört haben, dass Boehm ganz arg ist.“ 
Während im Saal gelacht wird, holt Kehlmann weiter aus. Muzicant habe zur Gewalt aufgerufen (wörtlich hat dieser im KURIER gesagt: „Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich am Dienstag hingehen – und Eier werfen.“    Anm.). Niemand könne jedoch sagen, was man Boehm konkret vorwerfe, so Kehlmann. „So geistlos ist nicht einmal Cancel Culture. Eine Farce.“
Boehm selbst sagt dazu nicht viel.  Bis auf die launige Bemerkung, dass er überlegt habe, Kehlmann an seiner statt die Rede halten zu lassen.

Ursprünglich war man ja gekommen (im Publikum auch Festwochen-Intendant Milo Rau), um über Kant zu sprechen. Zum 300. Geburtstag des  Philosophen  haben   Omri Boehm und Schriftsteller Daniel Kehlmann ein Buch über Kant geschrieben.  „Der bestirnte Himmel über mir“ heißt das Werk und sollte im Zentrum des in Kooperation des Instituts für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) und dem Volkstheater entstandenen Abend stehen. 
Es ging dann schon auch um Kant. Um dessen kategorischen Imperativ, seine drei großen Kritiken und sein Universalismuskonzept. Sowie um Regeln, die für alle zu gelten hätten, sogar für Gott. Und Außerirdische, wie Kehlmann betonte.  Denn ja,  abseits der einleitenden „Einordnung“ hatte der  Abend auch gelungene Pointen. 
Vor allem Kehlmann, der sich vor Jahren in einer (nicht fertiggestellten) Dissertation intensiv mit Kant auseinander gesetzt hat, erzählte  amüsant Anekdotisches und gab nicht nur Wissen zum Besten, sondern wusste  dies auch zu vermitteln. Neben Gott und den  Außerirdischen wurden weiters  Erkenntnistheorie, Pascal und Nietzsche gestreift sowie  natürlich die Frage: Was ist der Mensch? 
Mit eineinhalb Stunden war der Abend  zu kurz, um sich in irgendetwas zu vertiefen.  Das meiste wurde nur angerissen, am Ende doch auch wieder ein Thema, wegen dem Boehm von manchen kritisiert wird: Seine Kritik am Zionismus.  
Insgesamt eine streckenweise fordernde, dann wieder heitere und durchaus erhellende Kant-Schnupperstunde. 

  Sebastian Fitzek: „Elternabend? Ich mach einen Thriller draus“

…read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 2 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.