Filmkritik zu „Joker: Folie à Deux“: Im Gefängnis mit Lady Gaga

Kultur

Die „Joker“-Fortsetzung zieht den Stecker und überrascht als eine düstere Mischung aus Gerichtssaaldrama und Musical – mit Lady Gaga als Harley Quinn

Das mache er lieber nicht mehr, sagte Joaquin Phoenix und meinte damit die Radikaldiät, mit der er für seine Paraderolle als Joker erneut rund 20 Kilogramm Körperfett abgeworfen hat. Spitz ragen seine Knochen aus den Schultern eines gefährlich mageren Körpers, an dem man jede Rippe zählen kann. In der Fortsetzung des Überraschungshits „Joker“ nennt sich der Titelheld vornehmlich Arthur Fleck und sitzt in der geschlossenen psychiatrischen Anstalt von Arkham. Er hat im Live-Fernsehen fünf Menschen erschossen und wartet auf seinen Gerichtsprozess. Wenn seine Verteidigerin nicht schlüssig beweisen kann, dass Arthur unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet und – praktisch „ohne sein Wissen“ – als „Joker“ zum Mörder wurde, winkt der elektrische Stuhl.

Als er vor fünf Jahren in die Kinos kam, sorgte „Joker“ für eine Sensation. „Hangover“-Regisseur Todd Philipps hatte Batmans größten Gegenspieler zu einem Ausgestoßenen der Gesellschaft umgedeutet, der als Killerclown zum Leitbild einer Protestbewegung mutiert und an den gesellschaftlichen Eliten Rache nimmt. Joaquin Phoenix lieferte als Clown und glückloser Comedian Arthur Fleck eine sensationelle schauspielerische Leistung. Er würgte an seinem unverkennbaren manischen Gelächter wie ein Erstickender an einem unterdrückten Schluchzen und bekam dafür einen Oscar.

Regisseur Phillips musste sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, mit seinem verbitterten Einzelgänger eine Kultfigur für eine frauenverachtende, gewaltbereite Männerbewegung geschaffen zu haben.

Warner/Niko Tavernise

Ausgemergelter Joker: Joaquin Phoenix

Joker-Groupie

Gespannt wartete man auf die Fortsetzung. Und Todd Phillips zog den Stecker.

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Anstelle der explosiven Mischung aus nachtschwarzer Kriminalität und wahnwitzigem Rachefeldzug zieht er „Joker: Folie à Deux“ zu einem bedrückenden Mix aus Gerichtssaaldrama und depressivem Musical hinter Gefängnismauern zusammen. Die Außenwelt und Jokers randalierende Anhänger fungieren lediglich als Kulisse einer wahnhaften Zweierbeziehung, die Arthur in der Anstalt mit seinem größten Fan Harleen Quinzel erlebt. Lady Gaga übernahm stimmenstark die Rolle des Joker-Groupies Harley Quinn und bestärkt den gebrochenen Arthur in seiner grausamen Killerclown-Persönlichkeit.

Die erblühende Liebesbeziehung inszeniert Phillips als düsteren „Wahnsinn zu zweit“ im Rahmen eines abseitigen Jukebox-Musicals mit Hitsongs wie Sinatras „That’s Life!“ Gemeinsam steigert sich das schräge Paar singend und (stepp-)tanzend in einen dystopischen Liebestaumel und verwandelt den Gerichtsprozess in eine Bühne von Gewaltfantasien.

Warner/Niko Tavernise

Lady Gaga als Jokers größter Fan Harley Quinn und  Joaquin Phoenix in der Fortsetzung seiner Paraderolle: „Joker: Jolie à Deux“  

Vor Gericht streiten sich zwei Frauen um die Deutungshoheit von Jokers Männlichkeit: Ist Arthur Fleck das erbärmliche Opfer einer traumatisierten Kindheit, wie seine Anwältin argumentiert? Oder doch der charismatische Anführer deklassierter, gewaltbereiter Massen, wie es sich Harley Quinn wünscht?

Die Antwort von Todd Phillips fällt klar aus. Sein Joker implodiert einsam, als tieftrauriger Abgesang auf einen „Superhelden“, der keinen Nachfolger mehr sucht. Das mag manche Fans enttäuschen; als Fortsetzung ist es ziemlich genial – und sehr sehenswert.

INFO: USA 2024. 138 Min. Von Todd Phillips. Mit Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson. 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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