
„Striker“- der neue Roman der Autorin, die mit „Axolotl Roadkill“ berühmt wurde
Eine Brandmauer hat meist nicht den größten dramatischen Effekt. In Helene Hegemanns neuem Roman „Striker“ hat sie zumindest das Potenzial dazu.
N., die Hauptfigur, sieht eines Tages auf der Hauswand, die sie immer beim Aufwachen als erstes sieht, geheimnisvolle Zeichen. Zeichen, bei denen sie das Gefühl hat, dass sie den Zustand der Welt, also konkret Berlin, im Innersten erfassen. Das könnte tröstlich sein, wenn nicht gleichzeitig vor ihrer Wohnungstür eine junge Frau ihr Lager aufschlagen würde, die N. ein fundamentales Gefühl der Unsicherheit beschert.
Dabei würde man N. auf den ersten Blick wohl als toughe Person klassifizieren, immerhin unterrichtet sie Kampfsport und trainiert selbst für Wettbewerbskämpfe. Doch das täuscht nur kurz über die brüchige Verfassung von N. hinweg. Ihr Karate steht für ein stummes Um-sich-Schlagen in einer Gesellschaft, in der man geduldig Schläge einsteckt. Sie verfolgt ihre künftige Gegnerin mit einer Mischung aus Angst, Neid und Ekel auf Instagram und rechnet sich immer weniger Chancen im Kampf aus. Sie hat den Großteil ihrer Familie verloren und die, die noch da sind, haben nur Vorwürfe (und Schwurbel-theorien) für sie übrig. Sie ist mit einer an ihr uninteressierten Politikerin liiert. Die engste Beziehung hat sie zu ihrem Trainer Jürgen, zu dessen Methoden es gehört, ihr 40 Mal einen Medizinball auf die Bauchmuskeln zu knallen.
Ihre nachhaltigsten, wenn auch selten gegenseitigen Verbindungen hat sie zu den Obdachlosen in ihrer Nachbarschaft. Ein eigener kleiner Staat derer, die nicht „reinpassen“. Sie machen N. zwar Angst, aber nicht so sehr wie Ivy, jene Frau, die sich im Gang vor ihrer Wohnung ausbreitet.
N. fürchtet, in Ivy eine Art Doppelgängerin zu haben, sie lässt sich von ihr in die Flucht schlagen, fühlt sich zeitweise sicherer unter teils unberechenbar psychotischen Wohnungslosen. Doch Hegemanns Roman geht diesen radikalen Weg nicht weiter. Nach der Lektüre bleibt ein Unbehagen über die brodelnde Atmosphäre. Ein knapper Roman mit starken Passagen, die dann zerfasern. Aber wer demnächst nach Berlin kommt, kann Ausschau halten nach der Inspiration dafür: Street Artist Paradox Paradise beschriftet die Stadt genau so wirr-wüst wie hier geschildert.
Cover
Helene Hegemann:
„Striker“
KiWi Verlag.
256 Seiten.
24,70 Euro
Source:: Kurier.at – Kultur