Kehlmanns Debüt „Beerholms Vorstellung“: Ein Bestsellerautor bringt seine Kunst in Stellung

Kultur

Daniel Kehlmanns erster Roman ist eine kunstvolle Zaubershow.

Bei Zaubershows stehen Ausführender und Zuseher einander in Lauerstellung gegenüber: Denn welch süßer Triumph wäre es doch, den Trick zu durchschauen und die Täuschungskunst zu entzaubern.

Als Leser von Daniel Kehlmanns nun neu aufgelegtem Erstling „Beerholms Vorstellung“ (Zsolnay) ertappt man sich bei ähnlicher Überführungslust, schaut man hier doch einem der erfolgreichsten Autoren überhaupt zu einem Zeitpunkt in die Karten, als dieser seine Tricks wohl noch üben musste. Vielleicht also entdeckt man eine Handbewegung, einen sonst verborgenen Kunstgriff des späteren Autors der „Vermessung der Welt“, jenes phänomenalen Bestsellers, der aus spröden Wissensfiguren scheinbar mühelos Literatur macht?

Bis man merkt: Das braucht es gar nicht, das Buch legt seine Karten selbst offen auf den Tisch. Und genau daraus ergibt sich, welch schöner Trick, der Zauber des Ganzen.

Kollision

Kehlmann bringt in der 1996 verfassten außergewöhnlichen Lebensgeschichte des Zauberkünstlers Arthur Beerholm seine Kunst in Stellung. Schon hier lässt der studierte Philosoph Wissen und Welt, das Spröde und das Lebendige auf fruchtbringende Weise kollidieren: Beerholm ist nämlich ursprünglich fasziniert von der härtesten Wissenswährung, die der Mensch hat, von den Zahlen. Sein Talent aber ist, das Wissen über die Welt in Luft aufzulösen: Scheinbar mühelos gehen ihm die wildesten Zaubertricks von der Hand, hebeln die Gesetze der Wahrnehmung aus, so sehr, dass echte Magie in Griffweite scheint.

Aufgebrochen zu seiner rasanten Karriere ist Beerholm wegen eines braunen Erdf lecks auf der Wiese. Dort war nämlich seine Ziehmutter vom Blitz erschlagen worden, ein bizarrer Zufall gegen jede Wahrscheinlichkeit. So richtig zusammenreißen will sich die Wahrscheinlichkeit ab dann nicht mehr, alles passiert derart, als könnte Beerholm die Welt selbst (um-)formen.

  „Was mir OTTO SCHENKte“: Heinz Marecek über seine wichtigste Lebensfigur

Als Leser weiß man, dass man bei dem Ganzen Zuseher eines Zaubertricks ist, und müht sich unweigerlich, ihn zu durchschauen. Der Vorname Beerholms und der Buchtitel erinnern an Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“, und darin lernt man ja, dass alle Wahrnehmung eigentlich eine Täuschung ist. „Beerholms Vorstellung“ ist eine kunstvolle Show, von der man sich fast überraschend gerne täuschen lässt. 

Cover
…read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.