„Leonardo – Dürer“ in der Albertina: Im Kopf des Genies ist es bunt

Kultur

Mit seiner neuen Schau streicht das Museum seine Kernkompetenz für Werke auf Papier hervor und lädt dazu ein, die Sinne zu schärfen

„Leonardo da Vinci hat alles gezeichnet, was ihm durch den Kopf geschossen ist“, sagt Achim Gnann, in der Albertina Experte für italienische Zeichnungen.

Auf einem Blatt Leonardos in der neuen Ausstellung des Hauses finden sich neben der Rückenfigur eines Mannes noch Entwürfe für Zahnräder und für einen Mechanismus, der eine auf Schienen geführte Platte bewegt. Wer genau schaut, erkennt dazu noch Gesichter und einen Drachenkopf. In der Zeitung oder auf einem Bildschirm lässt sich das nicht wirklich reproduzieren: Denn das Blatt ist knallrot, und die mit einem Metallstift gezogenen Linien sind hauchdünn.

bpk / GrandPalaisRmn / Michel UrtadoKommen Sie näher!

Die intime Betrachtungssituation, die über einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren so unvermittelt in die Gedankenwelt eines Genies blicken lässt, ist die große Trumpfkarte, die die Albertina mit dieser Schau ausspielt: Nicht weniger als 26 Zeichnungen von Leonardo da Vinci sind in der Präsentation zu sehen, die Sammlung des britischen Königs Charles III. ist ein Hauptleihgeber. Ebenso viele Blätter aus der Hand Albrecht Dürers sind dazu ausgestellt – wobei die Albertina hier stärker auf ihre kolossalen eigenen Sammlungsbestände zurückgreifen kann.

Da Vinci und Dürer sind Leitfiguren jenes kunst- und geistesgeschichtlichen Aufbruchs, der um 1500 in Europa ein neues Menschenbild etablierte. Leonardo war dabei der ewig Forschende, der das Wesen der Dinge ergründen wollte, bevor er seine Erkenntnisse in Gemälden und Erfindungen umsetzte. Dürer war der Pionier eines künstlerischen Wissenstransfers und verband Einsichten aus Italien mit Traditionen der Kunst nördlich der Alpen.

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Die Albertina-Schau fokussiert nun auf einen vordergründig speziellen Aspekt dieser Aufbruchszeit: farbiges Papier. Es sitzt gleichermaßen am Schnittpunkt von Malerei, Skulptur und kunsthandwerklichen Techniken jener Zeit und entpuppt sich als weites Experimentierfeld.

Grau, Grün, Blau oder Rot bildeten eine Basis, von der aus Künstler in Richtung der Dunkelheit gehen konnten (mit Metallstiften, Kreiden, Tusche), aber auch in Richtung Helligkeit (mit weißer Farbe oder Kreide). Wobei die Künstler stets in beide Richtungen zu denken hatten: „Das bloße Überarbeiten einer in Schwarz angelegten Zeichnung in Weiß bringt kein befriedigendes Ergebnis und trennt die Meister von den Stümpern“, schreibt Albertina-Kurator Christof Metzger im Katalog.

ALBERTINA, WienÜber die Alpen

Der Dürer-Experte erzählt in der Schau, die als eine Art kunsthistorische Alpenüberquerung angelegt ist, wie der Nürnberger das Potenzial des farbigen Grunds nutzte. Ein Highlight ist die sogenannte „Grüne Passion“ (1504), die auch malerische Atmosphäre zu erzeugen vermag. An einer Stelle wird mit schönen Gegenüberstellungen deutlich, wie sich Dürer in Venedig 1506 u. a. beim Künstler Vittorio Carpaccio Anregungen holte.

Was der deutsche Gast bis dahin nicht gekannt hatte, war die Gepflogenheit der Italiener, mit vorgefertigtem blauem Papier zu arbeiten. Weil das „carta azzurra“ genannte Material aber schnell verblasste, griff Dürer wieder auf die Methode zurück, Papier mit einer rauen Grundierung zu überziehen – das berühmteste so entstandene Werk, „Betende Hände“, krönt eine Wand im letzten Drittel der Schau. Leonardo preschte seinerseits in der Technik vor, mit roter Mineralfarbe (Rötel) auf rot präpariertem Grund zu zeichnen: Anatomische Studien und Skizzen für Gemälde …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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