Neues Album von Miley Cyrus: So progressiv wie der Song Contest

Kultur
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Was haben die Eltern und deren Eltern noch über popkulturelle Zuschreibungsdifferenzierungen gestritten!

Ob einer ein Beatles-Fan oder ein Stones-Fan, ein Punker oder ein Pink-Floyd-Hörer, ein Popper oder ein Mod war, darüber gab es Prügeleien ebenso wie snobistische Auskennerdiskussionen. Und der Lebenspartner in spe durfte ja nicht aus einer anderen Musikabteilung kommen, Scheidung vorprogrammiert.

Alles geht

Das war natürlich immer schon lächerlicher Unsinn, hat sich aber zuletzt endgültig in Spotify-Playlists aufgelöst: Die einst mit stolz vor sich hergetragene Eklektik beim Musikgeschmack schert heute keinen mehr, aber toll, Papa, dass du dazu so viel Meinung hast.

Inzwischen ist Popmusik nämlich vom immer schon eher wackeligen Fundament der Identifikation zur netten Lebensbegleitung geworden, die ja nicht langweilen soll, man hat ja wirklich auch anderes zu tun.

Wenn es eine Verkörperung dieses heutigen freundlich-indifferenten Zugangs zu Popmusikklassifizierung gibt, dann ist das Miley Cyrus. 

Sony Music/Glen Luchford

Die macht die Musikwelt, wie sie ihr gefällt, singt mal Country, mal Pop, mal Tanzmusik, und meist alles auf einmal, ohne zuviel von irgendwas.

Imagemäßig besetzt sie vorbildlich die sonst vakante Stelle der immer zur Party bereiten Scheiß-drauf-Sängerin, die gerade mal wieder vergessen hat, sich etwas überzuziehen. 

Sony Music

Das Ganze erfüllt Cyrus derart vorbildlich, dass sie mit „Flowers“ den größten Hit 2023 (2,7 Milliarden Streams) lieferte.

Etwas Schönes

Da begegnet man einem neuen Album natürlich doch mit einiger Erwartungshaltung. Und diese Spannung ist ebenso natürlich der perfekte Moment für ein bisschen Cyrus-Anarchie: Sie redete im vornherein die Hittauglichkeit von „Something Beautiful“ klein.

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Sie wolle nämlich explizit an die überwucherte Pophistorie anknüpfen, ließ sie wissen: Das nun erschienene Album wird von einem eigenen Film begleitet, gemeinsam soll es eine „einzigartige Pop-Oper“, inspiriert von Pink Floyds „The Wall“, sein. Die Musik soll „eine kranke Kultur“ heilen, dank dementsprechender Schwingungen. Klingt mal eher nicht nach Hitparade.

Da werden sich die Labelmanager sehr gefreut haben, höhö, denkt man sich. Die dürften sich mit Schrecken erinnern: Schon einmal hat Cyrus nach einem Hitalbum eineinhalb Stunden jenseitige Musik (inklusive tibetischer Klangschalen) veröffentlicht.

Aber, Entwarnung: Zumindest für jemanden, der die 1970er noch passiv miterlebt hat, ist kein Grund zur Sorge erkennbar. „Something Beautiful“ bietet nämlich in der Hauptsache nichts Progressives, sondern sehr eingängige Musik, die in keiner Spotify-Playliste groß auffallen würde. Das muss in diesem Kontext wohl als Lob gemeint sein. 

Man gewinnt eventuell den Eindruck, dass Cyrus bei ihrem Vorwort zum Album nicht nur mit den Nerven ihres Managements, sondern auch mit den blöden Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie gespielt hat: Haha, reingefallen.

Die Musik jedenfalls mischt viel aus den 80ern (kann dieser Trend bitte bald aufhören?), zeitlose Discomusik und Essenzen von Soul. uUnd, man muss ja was für die Bildung tun, man hört Anklänge an das beliebte Albinoni-Adagio (in folgendem Video ab Minute 3.13). 

Später wird es dann elektronisch, und wer die großen Sounds für progressiv hält, ist wohl schon lange an keiner Disco mehr vorbeigefahren.

Es ist das Ganze eine Mischung, mit der Cyrus ganz alleine den Song Contest in Oberwart bestreiten könnte. Verschwendete Liebe, also? Es wird sich schon ein Hit finden. Andernfalls hören wir einfach weiter „Flowers“.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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