Paul Rotterdam: Der Maler-Denker, dem ein Wunder geschah

Kultur

Der Österreicher, der in den 1960ern in die USA ging, ist ein Bindeglied zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Eine Schenkung und ein Buch verankern sein Werk nun in der Heimat, die ihn kaum kennt

Manchmal tut sich an unerwarteter Stelle eine Tür auf. In diesem Fall wird sie geöffnet von einem feingliedrigen älteren Herrn mit wachem Blick, der abseits einer Schar von Eingeweihten nur wenigen Personen in Österreich ein Begriff ist.

Die Tür gibt einen Weg frei, der zu einer ungewohnten Perspektive auf die Kunstentwicklung in Österreich führt. Er führt zu einer längst zerstörten Wandmalerei in einem Abbruchhaus in Leoben, die möglicherweise genial war, die aber niemand außer ihrem Schöpfer, Paul Zwietnig-Rotterdam, je gesehen hat. Der Weg des kompromisslosen österreichischen Künstlers und Philosophen führte von der Steiermark weiter in die USA, an die Harvard-Universität, nach New York und in die ländliche Einschicht.

Paul Rotterdam/Landessammlungen NÖ/Christoph FuchsWelt im Bild

Paul Zwietnig-Rotterdam, der im vergangenen Jahr 85 wurde, ist ein rares Bindeglied zu den Avantgarden des 20. Jahrhunderts – ein Vertreter eines radikalen Kunstverständnisses, in dem ein Werk eine Welt für sich bildet und Ort philosophischer Überlegungen ist. Der Satz „Werkerfindung ist Welterfindung“ von Wassily Kandinsky findet sich in Rotterdams jüngstem Buch „Nachtbogen“ zitiert – und wie der Urvater der Abstraktion ist der Austro-Amerikaner ein Mensch, der eine spirituelle Suche mit intellektuellem Scharfsinn zu verbinden weiß.

Anders als österreichische Kunstschaffende, die nach Erfolgen und Herausforderungen in New York wieder nach Österreich zurückkehrten – zu nennen wären Wolfgang Hollegha, Maria Lassnig, Kiki Kogelnik – war Zwietnig-Rotterdam in den USA geblieben, nachdem ihn die Harvard University 1966 zunächst nur kurzfristig als Gastdozent ins Land geholt hatte. „Ich habe dort jeden Mittwoch von 11 bis 13 Uhr über theoretische Probleme in der Kunst des 20. Jahrhunderts gesprochen, aber immer nur im Frühjahrssemester, weil ich in New York City gelebt habe und mich auf meine Malerei konzentrieren wollte“, erzählt er. Bis 1987 lehrte Rotterdam an der Elite-Uni, dann entschloss er sich, „Eremit zu werden“, wie er sagt. „Wenn man in New York als Maler einen gewissen Namen hat, ist man unter kontinuierlicher Beobachtung. Ich wollte dem entgehen.“

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Theoretiker und Mönch

Dass ein solcher Rückzug auf dem Boden einer streng durchdachten künstlerischen Logik erfolgte, ist ebenso faszinierend, wie es aus einer Außenperspektive schwer nachvollziehbar ist. Doch der Theoretiker und der Mönch sind bei Rotterdam eine Person. Seine Werke selbst – fein ziselierte Zeichnungen und Gemälde –, künden von einer intensiven Auseinandersetzung mit den Grenzen des Darstellbaren, mit Fragen der Bildfläche und der Bildgrenze. Sie illustrieren diese Suche aber nicht. „Ich wollte die abstrakte Malerei weitertreiben in ein Territorium, wo erstens eine freie Formfindung möglich ist und zweitens etwas dargestellt wird, ohne es wirklich abzubilden“, sagt Rotterdam. „Der Inhalt wird emotional wahrgenommen.“

Paul Rotterdam

Zentral für Rotterdams Weg war ein Erlebnis, von dem der Künstler im Band „Nachtbogen“ ausführlich berichtet: 1982, erzählt er, habe er in einem Vortrag ein Bild des Romantikers Caspar David Friedrich von 1810 besprochen, das einen weißen Bogen zeigt, der sich über einen dunklen Himmel spannt. „Ich habe behauptet, dass das eine reine …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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