Theater in der Josefstadt: „Das Vermächtnis“ ist für das Theater „ein Risiko“

Kultur

„Das Vermächtnis“ ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Premiere. Regisseur Elmar Goerden über das Leid der Aids-Epidemie und Verletzlichkeit am Theater.

Es ist ein riesiges Unterfangen. Ab heute zeigt die Josefstadt das international mehrfach prämierte Generationenstück „Das Vermächtnis“, eine groß angelegte Erzählung rund um vier Generationen schwuler Männer und ihr Leben in New York zwischen Selbstermächtigung, Aids-Epidemie und dem Blick der heutigen Generationa auf diese Kämpfe. Das mit Pausen siebenstündige Werk basiert lose auf E. M. Forsters „Howard’s End“.

KURIER: „Howard’s End“ kennt man als üppig ausgestatteten Historienfilm. Was hat das damit zu tun?

Elmar Goerden: Es ist das Lieblingsbuch von Matthew López. Er nahm es als Bauplan für sein Stück, er hat die Figurenkonstellationen übernommen, manche Namen. „Howard“s End“ war für ihn ein Erweckungserlebnis.

APA/GEORG HOCHMUTH

Weil Forster selbst homosexuell war – und ungeoutet?

Er hat den ersten explizit schwulen Roman geschrieben, „Maurice“. Den hat er aber, testamentarisch verfügt, in seiner Schreibtischschublade liegen lassen. Gerade in der schwulen Community gab es immer starke Glaubenskriege zu Forster: Er galt als einer der Vorreiter, als Bezugspunkt. Aber im Gegensatz zu vielen anderen, die in den 1960ern schon für die Schwulenrechte gekämpft haben, hat er sich nie geoutet.

Das scheint ja das zentrale Thema in „Das Vermächtnis“ zu sein – weniger die Aufarbeitung der Aids-Epidemie, sondern die Komplexität und die Nuancen, mit denen die verschiedenen Generationen der homosexuellen Männer aufeinander schauen, einander auch bewerten.

Völlig richtig! Das nur anhand des Aids-Themas anzuschauen, unterschlägt die Komplexität des Stückes. Es geht im Grunde um vier Generationen und ihren Umgang miteinander, ihre Kultur, ihre Herausforderungen. Etwa die Generation, die in den 60er- und frühen 70er-Jahren in New York oder San Francisco angefangen hat, offen schwul zu leben. Und das noch unter extrem schwierigen Bedingungen.

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Die aber werden von der jüngeren Generation weniger gefeiert denn sehr streng, eigentlich kritisch bewertet.

Ja, es wird ihnen vorgeworfen, dass sie sich in ihrer Community abgeschottet haben. Das wird im Stück verhandelt – und war auch in unserer Erarbeitung Thema. Marcello De Nardo und ich waren Mitte der 1980er-Jahre in New York. Wir haben den Einschlag dieser Epidemie hautnah miterlebt, was das angerichtet hat. Und mein Regieassistent ist 23 Jahre alt. Das ergibt spannende Gespräche.

APA/TOBIAS STEINMAURER

Am Beginn der Aids-Epidemie gab es großes Leid.

Ich bin damals von New York nach Berlin gegangen. Das war wie ein Schlachtfeld, das vergisst man vielleicht heute. Es gab vollkommene Panik, keine zugelassene Therapie. Die Übertragungswege waren unklar, Medikamente kosteten 10.000 Mark für ein halbes Jahr. Was man auch vergisst: In Amerika hieß Aids am Anfang „Gay Cancer“, Schwulenkrebs.

Das war damals auch schon ein rechter, gegen Schwule gerichteter Kampfbegriff.

Ja. Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, was für ein Riesending es war, als Lady Diana im Spital einen Aids-Kranken umarmte. Die Generation danach ist dann ganz anders aufgewachsen, mit Safer Sex, quasi umstellt von Aufklärungsbroschüren. Und die jüngste Generation im Stück, die Mitte-20-Jährigen, haben ein ganz anderes historisches Bewusstsein.

Welches?

Die wissen schon, dass es das gab und gibt. Aber da geht es dann auch um Partikularinteressen innerhalb der schwulen Community. Es gibt sehr starke Fraktionierungen mit eigenen …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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