Tiere, die mit der Leinwand ringen: Kunsthalle Krems zeigt Susan Rothenberg

Kultur

Zum 30-jährigen Jubiläum positioniert sich die Institution als Zentrum für Malerei – mit einer Werkschau der „Grande Dame des Neoexpressionismus“

Welcher Maler hat dem Teddybären das Ohr abgeschnitten?

Es fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass der rote Bär, der am Beginn des Parcours in der Kunsthalle Krems empfängt, gar kein Ohr hat – der Bildrand lässt keinen Platz mehr dafür, doch unser Gehirn ergänzt das fehlende Stück. Nicht erst seit Van Gogh wissen Künstler, dass ein Bild im Kopf und eines auf der Leinwand nicht deckungsgleich sein müssen: Das eine kann dem anderen Signale geben, so entsteht ästhetische Spannung.

Wo ist das Pferd?

Die US-amerikanische Malerin Susan Rothenberg (1945– 2020), die nun in der Kunsthalle Krems mit einer umfassenden Werkschau geehrt wird, tappte mit ihrer Kunst Ende der 1970er in eine Zeit, in der sich eine neue Generation anschickte, die Möglichkeiten zwischen Darstellung und Abstraktion, zwischen Vor- und Nachbildern neu zu erkunden: Georg Baselitz stellte Motive auf den Kopf, Julian Schnabel setzte Motive aus zerbrochenem Geschirr zusammen – und Rothenberg, eine der wenigen Frauen dieses rasch gehypten „Neo-Expressionismus“, malte Teddybären. Und: Pferde.

Kunsthalle Krems

Besonders das letztgenannte Motiv, mit dem Rothenberg bewusst Anschluss an die Höhlenmalerei und damit an eine Urgewalt der Kunst suchte, wurde zu ihrem Markenzeichen.

Er habe überlegt, ob er Rothenbergs Bilder kontextualisieren solle, sagt Florian Steininger, der seit 2016 als künstlerischer Leiter der Kunsthalle öfters Malerei präsentierte, die sonst in Österreich kaum zu sehen ist – etwa jene der US-Amerikanerin Helen Frankenthaler (2022) oder jene des Dänen Per Kirkeby (2018/’19).

  Auf halbem Weg ins Museum: Ein Kunst-Rundgang durch Salzburg

Der Kurator entschied sich gegen den Kontext – und für eine luftige, meditative Präsentation von teils großformatigen Werken. Die Pferdebilder nehmen darin nur einen kleinen Teil ein – bereits Anfang der 80er suchte Rothenberg neue Wege, 1990 zog sie mit ihrem Mann, dem Konzeptkünstler Bruce Nauman, auf eine Ranch in die Wüste New Mexicos.

Jason SchmidtWas ist Malerei?

Dort gab es zwar auch Pferde, doch Rothenberg brauchte sie nicht mehr zwingend als Startpunkt, um ihre Leinwände als eigenen Kosmos zu behandeln. Oft sind es Fragmente von Körpern, die aus den Bildern auftauchen und wieder im Sturm der Pinselstriche versinken; Gliedmaßen schwirren ortlos in einigen Gemälden herum – man denkt an Edvard Munch, der einen abgetrennten Arm unter eines seiner Selbstporträts setzte und die „Pranke“, die den Pinsel führt, damit buchstäblich ins Bild holte.

Später sind es in Rothenbergs Bildern oft Gliederpuppen, die sich an die Bildgrenze drängen und mit ihnen zu ringen scheinen. Wie viel Gegenstand, wie viel Anatomie braucht ein Gemälde? Hat Malerei nicht ihre ganz eigene Anatomie? Bei allem Respekt vor der reduzierten, schlicht schönen Gestaltung der Schau schleichen sich beim Rundgang auch leise Zweifel ein, ob das Publikum in Krems bereit ist, solchen Fragen auf den Grund zu gehen. Wie ausgebildet ist hierzulande die Malerei-Kompetenz und das Bewusstsein, worum es dieser Kunstform in den vergangenen Jahrzehnten ging?

Bildrecht/ Hall Art FoundationWer schaut sich das an?

Steininger griff für Leihgaben zentral auf die Sammlung des Briten Andrew Hall zurück, der auf Schloss Derneburg nahe Hannover – früher Wohnsitz des „Malerfürsten“ Georg Baselitz – ein …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

(Visited 2 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.