Ein Klassiker und singende Schlagzeuge beim Finale von Wien modern.
von Susanne Zobl
Der Balkon im Goldenen Saal des Musikvereins hätte ausschließlich für das Orchester beim Klavierkonzert von John Cage geöffnet werden sollen. Doch der Andrang zum Claudio Abbado Konzert, mit dem Wien modern traditionell seinen Gründer ehrt, war so groß, dass die oberen Ränge für das Publikum geöffnet werden mussten. Anlässlich 150 Jahre Arnold Schönberg hatte eine Jury Kompositionen mit Bezug zum Jubilar ausgewählt. Damit schlug Bernhard Günther, der künstlerische Leiter von Wien modern, den Bogen stimmig in die Gegenwart.
14 Minuten Schmerzensschreie
Die lautmalerische Tondichtung der Linzerin Tanja Elisa Glinsner „Ein Baum. Entwurzelt. Der ins Leere fällt…“, eine Art Ergänzung zu Schönbergs Vertonung von Stefan Georges Gedichtzyklus „Das Buch der hängenden Gärten“ zog in ihren Bann. Streicherklänge, die sich als Schmerzensschreie eines Baumes deuten lassen, Windgeräusche, Sägen gehen ineinander über. Das Orchester sagt den Titel auf. Das alles geschieht in 14 Minuten. Susanne Blumenthal leuchtet davon mit dem ORF-Radiosymphonieorchester Wien jeden Moment exakt aus. Auch in den folgenden Werken legt sie den Schwerpunkt ihres Dirigats auf Genauigkeit wie bei Shiqi Geng, der mit seiner „Musik für Kammerorchester“ (hier in der Fassung für großes Orchester) an Schostakowitsch erinnert. Seine musikalische „Selbstreflektion“ hebt eine Soloposaune an, dann wird Beklemmung zur Musik, die geht über in die Idylle von Georges Delbrucks „Berceuse“. Doch die ist fragil. Das abrupte Ende ist wie das Erwachen aus einem tröstlichen Traum.
Wie ein Akt der Befreiung dann der Klassiker aus den 1950ern, das Klavierkonzert von John Cage mit Nicolas Hodges als Solisten. Blumenthal setzt auf akkurate Einsätze, das Werk wirkt per se.
Zusammen streiken
Absolutes Zusammenspiel war beim Schlusskonzert im Museum für Angewandte Kunst (MAK) Bedingung. „Streik für zehn Drumsets“ von Enno Poppe verwies auf die aktuelle Maxime des Festivals. „Und jetzt alle zusammen“. Der deutsche Komponist hat aus zehn Schlagwerk-Virtuosen ein famoses Ensemble formiert. Die zehn Solisten sitzen im rechten Winkel in der oberen Ausstellungshalle, sie agieren ganz homogen. Manche Passagen klingen wie im Kanon, einige Schläge explodieren wie Feuerwerkskörper, der Klang der Becken bringt die Schlagzeuge zum Singen, andere Töne kommen wie in starken Wellen auf einen zu. Wer nah genug am Podium sitzt, kann die Schallwellen sogar spüren. Das Erstaunliche, nichts wirkt zu laut, alles ist feinst austariert. Jubel für alle Beteiligten.
Source:: Kurier.at – Kultur