„Wiener Prozesse“: Terrorismus oder Rettung der Menschheit?

Kultur

Im ersten Teilverfahren des dritten Prozesskonvoluts standen Klimaaktivisten auf der Anklagebank.

Der Prozessmarathon der Wiener Festwochen biegt langsam in seine Zielgerade sein. Am Samstagvormittag war das erste Teilverfahren des theatralen Prozessdaches „Die Heuchelei der Gutmeinenden“ unter Vorsitz der einstigen SPÖ-Justizministerin Maria Berger im Odeon angesetzt. Dabei ging es im juristischen Nachspielen um oder besser gegen die „Letzte Generation“.

Infrage stehe dabei nicht die Weltsicht der „Letzten Generation“, unterstrich Anklägerin Laura Eisenhans: „Was angeklagt ist, ist das Handeln.“ Das betreffe konkret die Unbrauchbarmachung eines Autobahnkreuzes, also schwere Sachbeschädigung, mit dem Vorsatz, die Regierung zu einer Handlung zu zwingen. Dies zeuge von terroristischem Charakter. „Niemand von der ‚Letzten Generation‘ hatte den Vorsatz, schwere Sachbeschädigung zu begehen“, unterstrich indes Paul Kessler, der auch in der Realität der Verteidiger der „Letzten Generation“ ist. Damit falle der Vorwurf der terroristischen Vereinigung in sich zusammen.

Am Ende zeigte sich bei den Zeuginnen und Zeugen von allen Seiten, dass niemand die Aktivistinnen und Aktivisten für Terroristen hält. Afra Porsche, Mitglied der „Letzten Generation“, unterstrich im Zeugenstand aber die Bedeutung des zivilen Ungehorsams: „Wir sind immer gewaltfrei.“ Die Einsatzkräfte hätten die festgeklebten Aktivisten auch lösen können, ohne die Straße aufzureißen: „Und ist es keine schwere Sachbeschädigung, uns in die Klimakatastrophe laufen zu lassen?“

Klimawandelleugner

Andre Hutter, Initiator des Volksbegehrens „Leben ohne Klimalügen!“, bestritt hingegen den menschengemachten Klimawandel, sondern sieht diesen als Kontinuum im Weltenlauf. Aber er verstehe die Motivation der Aktivistinnen und Aktivisten, die er nicht als Terroristen sehe, angesichts der Angstmache durch Lobbyisten: „Die Politiker bedient sich des Mittels der Angst.“

  Bodysurfing am Küchenfußboden

Die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer betonte zwar, dass sie die Methoden der Demonstranten für ungeeignet halte: „Ich glaube, der Punkt, an dem dieser Art von Aufmerksamkeit hilfreich war, ist überschritten.“ Aber dennoch müsse die Gesellschaft diese aushalten. Sie sei allerdings skeptisch bezüglich dystopischer Szenarien, die bei den Menschen stets zu Resignation führten.

Engelhorn ist „dankbar“

„Dankbar“ ob der Aktionen der „Letzten Generation“ zeigte sich Millionenerbin Marlene Engelhorn: „Ziviler Ungehorsam ist, wenn er in Achtung des Lebens handelt, durchaus legitimiert zu stören.“ Dies sei wichtig, um zu zeigen, dass die Menschheit Grenzen des sozialen Zusammenhalts und des Planeten überschritten habe.

Am Nachmittag folgt dann Fall 2, wo es unter dem Titel „Kein Platz für Palästina-Solidarität? Oder kein Platz für Antisemitismus?“ um die Frage gehen soll, ob die Auflösung der Wiener Pro-Palästina-Protestcamps rechtens war. Als Zeugen sind hier etwa Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, oder Daniel Jungmayer, Unterstützer der israelkritischen Kampagne BDS, geladen.

Wirklich spannend dürfte aus Festwochen-Sicht aber der Sonntag werden, stehen am Abschlusstag doch die Festwochen selbst vor dem theatralen „Gericht“ der „Freien Republik“. Das Festival wird sich dabei wegen Fördermissbrauchs verantworten müssen, weshalb Festwochenchef Milo Rau selbst und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) verhört werden. Die Urteile in den Prozessen werden von den sieben „Geschworenen“ dann am Sonntagabend gefällt.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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