
Die Angebote aus Paris gibt es seit Jahrzehnten, doch erst durch das Abwenden der USA unter Donald Trump von Europa wächst das Interesse an einer möglichen nuklearen Teilhabe.
Könnte Frankreich anderen europäischen Ländern seinen nuklearen Schutzschirm anbieten und französische Atomwaffen den Nachbarn jene Abschreckungsfähigkeit gewähren, die bislang die USA liefert? Ein entsprechendes Angebot aus Paris liegt seit Jahren auf dem Tisch.
Präsident Emmanuel Macron, der bereits 2020 davon sprach, hat am Wochenende erneut eine „Diskussion über diese zutiefst strategische Frage“ vorgeschlagen. Er sei bereit, mit den europäischen Partnern „über unsere souveränen nuklearen Fähigkeiten zu reden“, auch wenn es „einige sehr sensible und sehr vertrauliche Komponenten gibt“, so Macron.
Mit 290 Sprengköpfen verfügt das Land über das viertgrößte nukleare Arsenal der Welt, nach den USA, Russland und China.
Der französischen Doktrin zufolge hat die atomare Abschreckung bereits seit Jahrzehnten eine „europäische Dimension“. Ein Angriff auf die Nachbarn wäre demnach auch einer auf die „vitalen Interessen“ Frankreichs.
In den vergangenen Jahren ging Berlin kaum auf entsprechende Gesprächsangebote ein. Deutschland kooperiert bislang im Rahmen der atomaren Teilhabe mit den USA. Der wahrscheinliche nächste Kanzler Friedrich Merz kündigte nun an, er wolle Gespräche mit Großbritannien und Frankreich, den beiden Atommächten Europas, über eine mögliche nukleare Abschreckung oder Teilhabe führen.
Während das britische Atomraketenprogramm gemeinsam mit den USA entwickelt wurde und Teil der NATO-Abschreckung ist, gilt das französische Nuklearprogramm als weitestgehend eigenständig.
EPA/ROBERT GHEMENT
Amerikanischer B52-Bomber, in Rumänien stationiert, kann mit Atomwaffen bestückt werden
Auch seit der Rückkehr Frankreichs in die NATO-Kommandostrukturen 2009 bleiben die Atomwaffen aus diesen ausgenommen. Das Land verfügt über eine landgestützte Ausrüstung auf mehreren Militärbasen sowie nukleare Luft- und Seestreitkräfte, darunter vier atombetriebene U-Boote mit Raketenstartrampen, von denen zwei ständig auf hoher See einsatzbereit sind. Dieses Arsenal ist kleiner und weniger breit gefächert als jenes der USA.
Für Héloïse Fayet, Wissenschaftlerin am Zentrum für Sicherheits-Studien am Pariser Institut für internationale Beziehungen Ifri, stellt sich aktuell nicht die Frage, ob die französische die US-amerikanische Abschreckung ersetzen könnte. „Der Positionswechsel der USA erfordert unbedingt eine Debatte, aber solange das Land seine nukleare Präsenz nicht zurückgezogen hat, geht es zunächst um zusätzliche oder ergänzende Sicherheitsgarantien.“
Entscheidend sei auch nicht die Zahl der Sprengköpfe, sondern eine grundsätzliche Klarstellung darüber, inwiefern Frankreich Länder wie Deutschland oder Polen schützen könnte.
Frankreichs Rechtspopulisten sind dagegen
Außerdem müsse die Zeit schnell genutzt werden, mahnt Fayet. Die nächsten französischen Präsidentschaftswahlen stehen regulär im Frühjahr 2027 an, bei denen ein Sieg des rechtsextremen Rassemblement National (RN) nicht auszuschließen ist. Dessen Frontfrau Marine Le Pen betonte am Samstag, dass „die französische nukleare Abschreckung französisch bleiben muss, nicht geteilt und noch weniger delegiert werden darf“. RN-Parteichef Jordan Bardella sagte, die Kontrolle über den französische Atomknopf zu teilen, wäre „nationaler Verrat“.
Dabei steht es laut Fayet gar nicht zur Debatte, die französischen Atomwaffen zu teilen oder von anderen Ländern mitfinanzieren zu lassen. „Wichtig wäre eine bessere Aufgabenteilung innerhalb der europäischen Staaten: Die Erhöhung der konventionellen Verteidigungsmittel trägt dazu bei, die gesamte Abschreckungsfähigkeit zu stärken.“ Auf diese Weise könnte sich Europa zudem besser gegenüber hybride Angriffe rüsten.
Source:: Kurier.at – Politik