Dänemark führt eine Fleischsteuer ein. Wie geht das, ohne Kulturkampf?

Politik

90 Euro pro Kuh: Die Dänen führen als erstes Land der Welt eine Steuer auf Milch und Fleisch ein. Wie ist das möglich, so ganz ohne Bauernproteste und Identitätsfragen?

Fleisch in Dänemark, das ist so eine Sache. Frikadeller, die Nord-Version der Fleischlaberln, gehören in jedem Haushalt auf den Teller, Nationalgericht ist der Stegt flæsk, ein Schweinsbraten mit Petersilie.

Ausgerechnet dort, wo der Milchverbrauch höher ist als in jedem anderen Land Europas, wo die Menschen dreimal so viel Fleisch essen wie empfohlen und wo mehr Schweine als Menschen leben, hat die Regierung nun eine Klimasteuer auf Milch und Fleisch beschlossen. 90 Euro pro Kuh und Jahr zahlen Landwirte ab 2030, ab 2035 werden es 225 Euro sein; schließlich verursacht kaum ein Land der Welt mehr Emissionen durch Essen als Dänemark.

Wie kann das sein – ohne den Kulturkampf, den man aus anderen Ländern kennt?

Keine Verbotsdebatte

Ganz geräuschlos ging das freilich auch in Dänemark nicht. Vor vier Jahren musste die Regierung ihren Vorschlag, die öffentlichen Kantinen zweimal wöchentlich fleischfrei zu halten, unter dem massivem Protest von Mitarbeitern und Gewerkschaften zurückziehen.

Daraus und aus den Rückschlägen der Nachbarn – in den Niederlanden führten Klimagesetze für die Landwirtschaft zur Bildung einer Bauern-Protestpartei, in Frankreich blockierten Landwirte mit Traktoren die Straßen – hat man gelernt. Alle Betroffenen wurden offensiv eingebunden, die Bauernlobby genauso wie Naturschützer, und um „Verbote“ oder „Einschnitte“ ging es öffentlich nie: Nach außen sprach man nur über die vielen Investitionen, die mit den neuen Steuern finanziert werden sollen – und von denen Bauern und Klima gleichermaßen profitieren.

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5,3 Milliarden Euro sind es, mit denen etwa die Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen gefördert wird, ein massiver Anreiz für die Bauern. Dazu werden 250.000 Hektar Wald aufgeforstet, das entspricht fast der Fläche von Luxemburg. So soll der riesige CO₂-Abdruck des Landes schrumpfen.

Viel geredet hat die Politik auch über ökonomische Perspektiven. Die Jobs in der dänischen Milch- und Fleischbranche werden in den letzten Jahren immer weniger, das liegt an steigenden Produktionskosten durch Krieg und Teuerung. Wer auf Pflanzenwirtschaft umrüstet, könne also nur profitieren, so das Versprechen: Bis zu 40.000 neue Jobs könnten so in den kommenden Jahren entstehen, sagte Ex-Umweltministerin Ida Auken, die mit den Verhandlungen zur Steuer betraut war. Wegfallen würden durch die neuen Steuern im Gegenzug nur etwa 3000 Stellen, hieß es.

EPA/Liselotte Sabroe

Protest der dänischen Vegan-Partei in Kopenhagen

„Vegan“ ist nichts mehr

Verbieten will man den Dänen also nichts, schmackhaft will man ihnen den Umstieg machen, so das Motto. Das zieht sich auch durch die „soften“ Maßnahmen, die die Regierung fördert: In Nordeuropas größter Kochschule wird eine eigene Ausbildung zum vegetarischen Chefkoch eingeführt, vegane und vegetarische Produktforschung wird mit Millionen gefördert. Zudem sollen kleine NGOs in allen Märkten für pflanzliche Nahrung lobbyieren, nur „vegan“ ist dabei aber nichts: Auf Labels wird ganz bewusst verzichtet, um aus dem Buffet ja kein Schlachtfeld für Identitätsfragen zu machen. „Pflanzenbasiert“ heißt das neue Schlagwort – das soll für verbale Entpolitisierung sorgen.

Der Kulturkampf, der überall tobt, könnte den Dänen so erspart bleiben, so das Kalkül. Dazu kommt die Vorbildfunktion: Je mehr Menschen ab und zu vegan oder vegetarisch …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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