
Der Zitronenbaum von Yuval Harans Familie trägt wieder Früchte. Zwischen dem Grün blitzen kleine gelbe Farbtupfer hervor. Bei ihrem Anblick denkt Yuval an seinen Vater Avshalom. Wie er die reifen Zitronen auf einer Leiter pflückt. Und wie er sie in seiner Küche im Haus dahinter weiterverarbeitet.
Avshalom lebt nicht mehr. Er wurde am 7. Oktober 2023 in seinem Haus im Kibbuz Be’eri von Hamas-Terroristen erschossen. Mehr als 400 Terroristen stürmten die Siedlung im Süden Israels. Sie töteten mehr als 100 Bewohner und verschleppten 31 weitere in den nur vier Kilometer entfernten Gazastreifen.
Darunter Yuvals Schwager Tal Shoham, der auch den österreichischen Pass besitzt. 505 Tage war er in den Händen der Hamas-Folterer. Das Land, in das er im Februar zurückkehrte, ist nicht mehr dasselbe wie vor dem Massaker.
BKA/Schrötter
Tal Shoham, einst Hamas-Geisel, führte eine Delegation um Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) durch sein einstiges Heimat-Kibbuz.
„Die Armee sollte uns schützen. Aber sie war nicht da.“
Tal und Yuval sind an diesem Tag für einen Besuch von Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) in Be’eri. Dass ihn sein erster offizieller Auslandsbesuch nach Israel führt, sei ein wichtiges Signal, sagt Pröll. „Unsere Solidarität mit Israel ist nicht nur historisch begründet, sondern hochaktuell.“
Tal möchte mit der österreichischen Delegation und der Welt seine Geschichte teilen, über die Gräueltaten der Hamas aufklären. Er führt durch den Kibbuz, in dem rund eineinhalb Jahre nach dem Angriff noch viele Häuser völlig zerstört sind: Einschusslöcher in den Wänden, Schutt, ausgebrannte Ruinen.
Dazwischen sieht man die Überbleibsel eines früheren Lebens: ein von der Sonne ausgeblichenes Kinderauto, zerbrochene Blumentöpfe, umgeworfene Gartensessel. An vielen Wänden sind Bilder der Toten und Geiseln zu sehen – und die Graffiti der israelischen Armee, die am 7. Oktober erst in Be’eri eintraf, als das Unvorstellbare bereits geschehen war.
Der 7. Oktober markiert eine Zäsur in der Geschichte Israels. Die Armee, die den Bürgern Sicherheit versprochen hatte, hat versagt. Mehr als 3.000 Terroristen durchbrachen am Morgen jenes Samstags den Grenzzaun zum Gazastreifen. Sie töteten mindestens 1.300 Menschen und entführten 255 weitere. Es war der tödlichste Angriff auf Juden seit dem Holocaust.
Viele sagen, ihr Sicherheitsgefühl sei seitdem für immer verloren. Auch Tal Shoham äußert das im ausgebrannten Wohnzimmer seiner Schwiegereltern, seit seiner Freilassung am 22. Februar ist er zum dritten Mal hier. Die Erinnerungen an diesen Tag seien immer noch schmerzhaft: „Ich bin mit dem Vertrauen aufgewachsen, dass die Armee uns schützt“, sagt er leise. „Aber sie war nicht da.“
Das Gelände des Nova-Festivals wurde zur Gedenkstätte
Der Schmerz, das Trauma, ist auch in der Küstenmetropole Tel Aviv zu spüren – auch, wenn der Alltag weitergehen muss. Die Porträts der 58 Geiseln, die immer noch im Gazastreifen festgehalten werden, hängen auch hier an Hausfassaden. Auf Hochhäusern leuchtet die Zahl der Tage seit ihrer Entführung. Immer wieder heult Alarm auf, wenn die Houthi-Miliz aus dem Jemen Raketen schießt.
„Wenn wir heute von Überlebenden sprechen, dann meinen wir nicht mehr den Holocaust, sondern den 7. Oktober“, sagt Armeesprecher Arye Shalicar. Er steht auf dem Gelände des Nova-Festivals, nur zehn Autominuten entfernt von Be’eri.
BKA/Schrötter
Trauer nach dem Terror auf dem Nova-Festivalgelände. Heute ist der Ort eine Gedenkstätte.
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Source:: Kurier.at – Politik