Olaf Scholz’ Überraschungsreise in die Ukraine kam zu Hause nicht gut an: Ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver, lautete die Kritik. Auch seine Mitbringsel wirkten nicht glaubhaft.
Eigentlich sollten Überraschungsreisen für positive Schlagzeilen sorgen. Darauf dürfte auch Olaf Scholz spekuliert haben, als er in Kiew nach Zug stieg. Nur: Beim Ankommen war die Stimmung aber eine andere.
Aus Deutschland kam herbe Kritik an der Reise mitten im Wahlkampf, und mit seinem ukrainischen Gegenüber Selenskij dürften die Gespräche auch nicht unbedingt angenehm gewesen sein. Der Grund dafür war derselbe: Scholz hat sich in den vergangen zwei Jahren selbst zum „Friedenskanzler“ stilisiert, gilt auch unter anderen Alliierten als Zauderer, was Waffenlieferungen angeht. Seit Kriegsbeginn war er erst einmal in Kiew; EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Gegensatz dazu schon acht Mal. Dazu kommt sein kürzliches Telefonat mit Wladimir Putin, das weder in Europa noch in Kiew gut ankam: Scholz habe damit „die Büchse der Pandora“ geöffnet, hieß es dort.
via REUTERS/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SEREinladung an Merz
Diese Differenzen kommentierte in Kiew niemand, das wäre auch ungewöhnlich gewesen. Komplizierter dürften es für Scholz werden, wenn zurück er nach Deutschland kommt: Auch wenn sein Team immer wieder sagte, die Visite sei lange geplant gewesen, hatten Zeitpunkt und Vorbereitung doch viele irritiert. Zum einen hätte Scholz eigentlich den estnischen Premier Kristen Michal empfangen sollen; dass er dieses Treffen kurzfristige absagte, ist beinahe ein diplomatischer Affront. Zum anderen – und as wiegt schwerer – war kurz vor seiner Reise durchgesickert, dass Selenskij kurz zuvor CDU-Chef Friedrich Merz eingeladen hatte. Und der ist immerhin Scholz’ größter Konkurrent im Kampf um das Kanzleramt.
Die FDP nannte das „eine schmutzige Wahlkampfschlacht auf dem Rücken der Ukraine“, für die Union war der Besuch „verlogen“. Bei den Grünen wunderte man sich vor allem darüber, dass Scholz in Kiew vollmundig ein „weiteres 650-Millionen-Paket“ angekündigte – das sind allerdings nur jene Mittel, die Berlin schon seit Monaten zugesagt hat.
Ob Olaf Scholz’ seine Rolle als „Friedenskanzler“ mit diesem Besuch mit Leben füllen konnte, bleibt auch für Experten fraglich. Politanalyst Ulrich Speck etwa mutmaßt, dass Scholz wohl darauf hofft, dass es noch vor dem Wahltermin zu Verhandlungen über eine Waffenruhe kommt, erzwungen vom nächsten US-Präsident Donald Trump.
Ob Scholz dabei mitreden darf, ist aber die nächste offene Frage. Evelyn Peternel
Source:: Kurier.at – Politik