„Habe beim Schlafen die Tür zugesperrt“: Gewalt gegen 24-Stunden-Pflegerinnen

Politik

Laut einer Studie erleben zahlreiche Personenbetreuerinnen in Österreich Gewalt. Eine Pflegerin erzählte dem KURIER anonym, was ihr widerfahren ist.

Natália (Name von der Redaktion geändert, Anm.) kann sich noch gut an die Angst erinnern, die sie vor drei Jahren verspürte.

Die mitte-50-jährige Slowakin war als Personenbetreuerin einer psychisch kranken Frau in Österreich tätig. Während der zweiwöchigen Turnusse lebte sie auch in deren Wohnung, wie das üblich ist. Mit der Klientin verstand sie sich, doch deren Ehemann verfolgte sie.

„Nach nur ein paar Tagen hat er mich zu sich gerufen. Ich war gerade beim Staubsaugen“, erzählt sie dem KURIER. „Dann hat er mir gesagt, dass er in mich verliebt sei, dass er sein Leben noch einmal genießen wolle – mit mir.“ Sie habe ihm klar gesagt, dass sie das nicht wollte. Doch er habe nicht aufgehört.

„Er ist mir die ganze Zeit zu nahe gekommen, hat mich beobachtet, ist vor mir in Unterwäsche herumgelaufen.“ Bei jeder Dusche habe sie Sorge gehabt, dass er reinkomme. Beim Schlafen habe sie die Tür zugesperrt.

Keine Hilfe 

Weder die erwachsenen Kinder des Mannes noch der Vertreter der Agentur, die Natália an die Familie vermittelt hatte, halfen ihr. Sie fühlte sich so unwohl, dass sie kündigte. Dadurch hatte sie lange schwere finanzielle Probleme.

Neben Natália berichten auch zahlreiche andere Personenbetreuerinnen aus Osteuropa – rund 60.000 arbeiten hierzulande – davon, während ihrer Arbeit in Österreich belästigt zu werden. Das Forschungsinstitut FORBA und die Initiative für Gerechtigkeit in der Personenbetreuung (IG24) veröffentlichten vor wenigen Monaten eine Studie, wonach fast jede Zweite (die allermeisten sind Frauen) unter den rund 1.400 Befragten am Arbeitsplatz Gewalt erlebt haben.

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Ausgeliefert

Einige haben sich bei Simona Ďurišová, Mitgründerin der IG 24, gemeldet. „Sie werden an den Brüsten und am Po begrapscht, oder müssen sich sexistische Witze anhören“, sagt sie – von zu betreuenden Personen, aber eben auch von Angehörigen. Oft seien die Frauen den Familien völlig ausgeliefert.

Gerade bei Demenzkranken käme so etwas vor, wie auch gewaltsame Angriffe, die könnten oftmals nichts dafür. Ďurišová kritisiert aber, dass die Betreuerinnen von einigen Agenturen nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet würden, inklusive Informationen darüber, wo sie Hilfe bekommen.

Im Gegenteil: „Den Frauen wird gesagt, das sei doch nicht so schlimm. Oder sie glauben ihnen nicht.“ Einer sei gesagt worden, sie habe sich Berührungen nur eingebildet. Einer anderen, sie sei begrapscht worden, weil sie sich zu freizügig anziehe. Manchmal wäre es zwar möglich, die Familie zu wechseln. Aber dann käme oft eine andere Betreuerin in die alte Familie, ohne Warnung.

Ďurišová kennt auch Geschichten von anderweitigem Psychoterror: Betreuerinnen, denen das Duschen oder Geld für Lebensmittel verwehrt wird; die beschuldigt werden, gestohlen zu haben. Rassistische Beleidigungen.

Angesichts solcher Erfahrungen – in Kombination mit der an sich schon anstrengenden Arbeit, den weiten An- und Abreisen, wenigen Pausen und den niedrigen Löhnen – wundert es wenig, dass ein Drittel der Studienbefragten sich in drei Jahren nicht oder eher nicht mehr als Personenbetreuerin in Österreich sieht.

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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