Heldin und Hassfigur: Wie tickt Klimaministerin Leonore Gewessler?

Politik

Spätestens seit ihrem Ja zur EU-Renaturierung lässt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler niemanden mehr kalt.

Im Jänner 2020 saß Leonore Gewessler in einem Kremser Hotel beim Abendessen und bekam eine Frage gestellt, die sie nicht einordnen konnte. Es war die erste Arbeitsklausur der Bundesregierung. Stunden zuvor hatten ÖVP und Grüne erklärt, man werde das Steuersystem ökologisieren – ein Projekt, bei dem Gewessler einen wesentlichen Part spielen sollte.

Beim Abendessen sagte ein Journalist zu Gewessler: „Sie wirken irgendwie, als hätten Sie nie etwas anderes gemacht als Politik.“ Die Grüne reagierte überrascht: „Das war ein Kompliment, oder?“

Viereinhalb Jahre später kann die Energieministerin viel besser einschätzen, wann sie gelobt und wann getadelt wird. Was den Koalitionspartner angeht, überwiegt der Tadel. Wobei das noch ein Hilfsausdruck ist. Denn seit Gewesslers Alleingang beim Renaturierungsgesetz gilt sie in der ÖVP als potenzielle Straftäterin – die Volkspartei hat die gebürtige Steirerin wegen Amtsmissbrauch angezeigt.

Wer ist diese Frau, die von Global 2000 an die Spitze des grünen Schlüssel-Ministeriums wechselte? Und: Wie tickt sie?

Talentierte Machtpolitikerin

Macht-politisch betrachtet hat Gewessler für den Polit-Job zweifelsohne Talent. Augenscheinlich wurde das bereits im August 2021. Seit Monaten war Gewessler dabei, mit den Ländern über ein Klimaticket zu verhandeln. Sie saß mit acht Verkehrsverbünden, den ÖBB und der Westbahn zusammen und überlegte, wie ein Ticket aussehen muss, mit dem man in ganz Österreich mit allen Öffis fahren kann.

Das ist nicht machbar, hieß es mehrfach. Tatsächlich waren ähnliche Projekte immer wieder an der Komplexität der Idee gescheitert.

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Doch als Wien und Niederösterreich im August 2021 auf hart schalteten, weil sie keine faire Lösung sehen konnten, reagierte Gewessler unkonventionell: Sie fuhr nach Linz, lud zu einer Pressekonferenz und verkündete kurzerhand den Start des Klimatickets – halt nur in Westösterreich. „Wir hatten schon über 30 Verhandlungsrunden mit Wien und Niederösterreich, und wenn es mehr Zeit braucht, werden wir sie uns nehmen“, sagte sie lächelnd. Kein böses Wort über die widerborstigen Länder, dafür schuf Gewessler Fakten. Und irgendwann gelang die Einigung im Osten, und das Klimaticket wurde zu einem der ersten Erfolge der 46-Jährigen.

Kritiker wie Kanzler-Berater Wolfgang Rosam bezeichnen die gebürtige Grazerin anerkennend als „stärkste Waffe der Grünen“. Aber was ist ihr Geheimnis?

„Sie hat ein handverlesenes Kabinett, konzentriert sich ausschließlich auf das Umwelt-Thema und widersteht der Versuchung, mit markigen Ansagen schnelle Schlagzeilen zu produzieren“, erzählt ein grüner Stratege.

Unbestritten ist, dass Gewessler in öffentlichen Auftritten vorzugsweise sachlich, manchen fast zu sachlich spricht. Was stimmt ist, dass von ihr kaum ein böses Wort über politische Mitbewerber überliefert ist. Was nicht stimmt ist, dass sie mehr polarisiert als andere. Im Vertrauensindex von APA und OGM liegt Gewessler um Welten besser als Werner Kogler, Sigrid Maurer, Lena Schilling, alle FPÖ-Politiker sowie der Großteil der türkisen Ministerriege.

„Das hat sie enttäuscht“

Emotional wird die frühere Chorsängerin bei Misserfolgen. Ein Beispiel ist das Gesetz zur Wärmewende: Die Grüne wollte nicht nur Öl- und Gasheizungen in Neubauten verbieten, sondern gleich vorschreiben, dass alle Heizungen bis 2040 getauscht werden.

Nachdem Parteifreund Robert Habeck in Deutschland mit einem ähnlichen Projekt ein massives Problem bekam, ließ Gewessler die Pflicht zum Heizungstausch fallen und begnügte sich mit einem …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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