ÖVP und SPÖ ringen um Gemeinsames – dabei geht es um die politische Zukunft ihrer Parteichefs
Für die einen ist die Lage volatil, für die anderen verheerend bis desaströs. Seit die Neos nicht mehr Teil der Koalitionsgespräche von ÖVP und SPÖ sind, wird so gut wie alles infrage gestellt.
Allen voran der mit der Regierungsbildung beauftragte Noch-Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer.
Er muss eine Koalition mit der SPÖ zustande bringen, will er ÖVP-Chef bleiben und wieder Kanzler werden, doch die Chancen stehen schlechter als je zuvor. Die Verhandlungen zwischen Türkis und Rot am Samstag im Bundeskanzleramt brachten keinerlei nennenswerte Annäherung beim Streit um die Sanierung des Budgets. Die SPÖ beharrt auf vermögensbezogene Steuern. „Nehammer hat uns klar gemacht, dass er sich in dieser Frage nicht bewegen kann. Sonst bewege sich die Partei von ihm weg“, so ein SPÖ-Verhandler zum KURIER. In dieser verfahrenen bis aussichtslos wirkenden Situation müssen beide Parteien zudem noch immer verkraften, dass die kleinste Partei – die Neos – sie mit ihrem Ausstieg nicht nur „kalt erwischt“, sondern phasenweise handlungs- und kommunikationsunfähig gemacht haben.
Die Situation für Karl Nehammer ist dramatisch. Wie sehr – das wird sich am Sonntagvormittag zeigen. Dann nämlich wollen sich alle ÖVP-Landeshauptleute treffen, um über die Fortführung oder eben den Abbruch der Koalitionsverhandlungen und damit auch über die Zukunft des Bundesparteiobmannes zu entscheiden. Als möglich erachtet wird ein Wechsel an der ÖVP–Spitze und etwaige Koalitionsgespräche mit der FPÖ oder der Gang zum Bundespräsidenten und dann aller Voraussicht nach in Neuwahlen.
Möglich ist auch, dass die Verhandlungen weitergehen.
Worauf es dann ankommen wird: Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Wie lange haben ÖVP und SPÖ noch Zeit?
In Österreich gibt es keine gesetzlich festgelegte Frist, wann Regierungsverhandlungen beendet sein müssen. Bisheriger Rekord: 1963, als ÖVP und SPÖ 129 Tage bis zur Einigung benötigten. Dafür gelten andere Fristen: Wollte Türkis-Rot ein EU-Defizitverfahren abwenden, müsste sie der EU-Kommission bis 15. Jänner zumindest ein Maßnahmenpaket übermitteln.
Können ÖVP und SPÖ zu zweit regieren?
Theoretisch schon, ÖVP und SPÖ hätten die wackeligste Mehrheit der Zweiten Republik, mit einem Mandat Überhang im Nationalrat. Praktisch hieße das: Bei Abstimmungen im Nationalrat müssten beide Fraktionen erstens vollzählig sein, um einfache Gesetze zu beschließen – insofern nicht auch Mandatare anderer fehlen. Zweitens dürfte niemand entgegen der gemeinsamen Parteilinie abstimmen oder sich enthalten. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat angekündigt, Türkis-Rot bei jenen Gesetzesvorhaben im Parlament zu unterstützen, auf die man sich in den Verhandlungen verständigen konnte.
Wann wären etwaige Neuwahlen möglich?
Eine Neuwahl kann unter anderem eine Mehrheit des Nationalrats beschließen – etwa auf Initiative der Bundesregierung. Diese einigt sich auf einen Stichtag, der 82 Tage vor dem Tag der Nationalratswahl liegt. Der frühestmögliche Termin wäre Ende März oder im April. Aber: Zwischen dem Beschluss des Nationalrats liegt noch ein parlamentarisches Prozedere, das zwei bis drei Wochen dauern kann. Insofern wären Neuwahlen im Mai realistischer.
Wer regiert Österreich bis dahin?
Die provisorische, türkis-grüne Bundesregierung. Diese könnte theoretisch bis zum nächsten Wahltermin im Jahr 2029 im Amt bleiben.
Wo waren sich ÖVP, SPÖ und Neos schon einig?
Bei keinen Projekten, die nach dem Verständnis der Neos das Prädikat „Leuchtturm“ verdienen …read more
Source:: Kurier.at – Politik