Mit dem Rücktritt Nehammers verliert der Arbeitnehmerbund an Gewicht. Der Wirtschaftsbund lässt seine Muskeln spielen.
Wer innerparteilich das Sagen hat, ist nicht nur in der seit Monaten zerstrittenen SPÖ ein Thema. Auch in der ÖVP gibt es ein stetes Ringen. Ein gewichtiges Wort haben seit jeher die Länderorganisationen und auch die diversen Bünde. Allen voran der Wirtschaftsbund, der ÖAAB (Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund) und der Bauernbund.
Jede dieser Teilorganisationen vertritt unterschiedliche Interessen. In der jüngsten Vergangenheit hatte der ÖAAB eine große Machtposition inne, die scheint aber derzeit zu bröckeln.
Doch erst ein Schritt zurück: Während der Ära Sebastian Kurz wurde der Einfluss von Bünden und Ländern massiv zurückgedrängt: Der ÖVP-Vorstand hatte 2017 Kurz ein „Durchgriffsrecht“ zugesprochen. Dieses beinhaltete, dass er personelle Fragen alleine entscheiden durfte, etwa die Besetzung des Generalsekretärs, die Zusammensetzung des Regierungsteams der ÖVP sowie mehr Mitspracherecht bei der Kandidatenliste für Nationalratswahlen.
„Linker Flügel“ ist geknickt
Nach Kurz‘ Rücktritt schlug die Stunde des ÖAAB. Mit dem nunmehrigen Ex-Parteichef Karl Nehammer und Nach-wie-vor-Klubobmann August Wöginger wurden gleich beide Machtpositionen vom Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund besetzt.
Dass Nehammer nun den Hut genommen hat, bringt also Einflusseinbußen mit sich. „Gott sei Dank“, zeigt sich so mancher Funktionär erleichtert, gilt der Arbeitnehmerbund innerparteilich schließlich als „linker Flügel“.
Nehammer ist indes nicht das einzige ÖAAB-Mitglied, dass das Politparkett verlässt oder dort ins Schlingern geraten ist.
Umbauten in den Ländern
Karoline Edtstadler hat sich kürzlich als Ministerin zurückgezogen. Sie gilt aber ohnehin mehr als Kurz-Vertraute. Für den ÖAAB fallen Rochaden auf Länderebene mehr ins Gewicht, heißt es im ÖVP-Umfeld.
Christopher Drexler musste in der Steiermark nicht nur den Sessel des Landeshauptmanns räumen, sondern auch den des Parteichefs. Seine Nachfolgerin Manuela Khom kommt aus dem Wirtschaftsbund. Ebenso wie Tirols Landeshauptmann Anton Mattle, der mit Günther Platter ebenfalls einen ÖAABler beerbt hat.
Von fünf schwarzen Landeshauptleuten sind damit nun drei dem WB zugehörig: Salzburgs Wilfried Haslauer, Vorarlbergs Markus Wallner und eben Mattle. Der ÖAAB stellt mit Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich und Thomas Stelzer in Oberösterreich nur noch zwei Landeshauptleute.
FPÖ für alle möglicher Koalitionspartner
Bei der Wahl des Koalitionspartners auf Länderebene dürfte die Bündniszugehörigkeit (und etwaige linke Flügel) allerdings keine Rolle spielen. Außer in Tirol wird überall gemeinsam mit der FPÖ regiert.
Der Wirtschaftsbund gewinnt jedenfalls an Einfluss. Dass dieser derzeit seine Muskeln spielen lässt, dürfte auch damit zusammen, dass heuer die Wirtschaftskammerwahlen rund um den mächtigen Präsidenten Harald Mahrer stattfinden, ist bei ÖVP-Funktionären zu hören.
In Regierungsbildungsverhandlungen ging es schließlich um viele Wirtschafts- und Unternehmerinteressen – ein Umfallen bei diversen Positionen hätte Enttäuschung bei der eigenen Klientel und damit mitunter weniger Wählerstimmen bedeutet.
Der neue ÖVP-Chef Christian Stocker dürfte zumindest um Einigkeit innerhalb der ÖVP bemüht sein: Er hat in seiner Antritts-PK am Sonntag ein Zeichen gesetzt, indem jeweils ein Vertreter jeder Teilorganisation an seiner Seite stand.
Source:: Kurier.at – Politik