Kurz lieferte sich nach Urteil eine Materialschlacht mit der Justiz

Politik

Vor mehr als einem Jahr wurden Ex-Kanzler Kurz und sein Ex-Kabinettschef Bonelli wegen Falschaussage schuldig gesprochen. Warum die Urteile noch immer nicht rechtskräftig sind.

In seiner Zeit als Bundeskanzler und ÖVP-Chef trat Sebastian Kurz als harter Kritiker der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf. Lieblingsthema (auch anderer ÖVP-Leute): überlange Verfahrensdauer. „Verbesserungen“ seien nötig, sagte Kurz etwa, damit „Unschuldigen nicht zu lange etwas Unrechtes vorgeworfen wird, wodurch sie berufliche Nachteile haben“.

Was sein eigenes Verfahren betrifft, hat der nunmehrige Unternehmer und Investor es offenbar überhaupt nicht eilig. In den vergangenen Monaten lieferte er sich mit der Justiz eine regelrechte Materialschlacht. Was dazu führt, dass sein Schuldspruch wegen Falschaussage, der am 23. Februar 2024 im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts fiel, bis dato nicht rechtskräftig und auch noch länger kein Ende in Sicht ist.

„Volle“ Berufung

Rückblick: Sebastian Kurz und sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli wurden wegen Falschaussage im U-Ausschuss zu acht bzw. sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. Im Kern ging es um die Frage, ob Kurz seine Rolle bei der Einrichtung der Staatsholding ÖBAG sowie bei der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat korrekt geschildert hat.

Kurz empfand das Urteil als „sehr ungerecht“; er und Bonelli meldeten volle Berufung an. Und „voll“ heißt „voll“ – in jeglicher Hinsicht.

Das schriftliche Urteil lag Mitte Mai vor und hat rund 90 Seiten, zusätzlich gab es ein Protokoll der zwölf Verhandlungstage mit rund 1.200 Seiten. Die WKStA hat gegen die Teilfreisprüche (Kurz war in nur einem von drei Anklagepunkten verurteilt worden) zwar keine Rechtsmittel eingelegt, aber Korrekturen im Protokoll angeregt, ebenso die Verteidiger Otto Dietrich und Werner Suppan. So weit, so üblich.

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Allerdings gab es von Verteidigerseite Hunderte Korrekturen, die – vorsichtig ausgedrückt – nicht unbedingt urteilsrelevant waren. Beanstandet wurden dem Vernehmen nach Tippfehler oder einzelne Formulierungen. Etwa, wenn „Staatsanwalt“ im Protokoll stand, es aber „Staatsanwaltschaft“ heißen musste. Oder wenn eine Zeitangabe einer Tonbandaufnahme nicht sekundengenau gestimmt hat.

Kurz’ Verteidiger Dietrich, der als äußerst beflissen und korrekt gilt, stieß sich auch daran, dass manche Stellen von der Schriftführerin sinngemäß wiedergegeben wurden und nicht wortwörtlich.

Gröbere Diskrepanzen sah Dietrich bei den Aussagen eines russischen Zeugen. Zur Erinnerung: Richter Michael Radasztics war damals in der Verhandlung dazu übergegangen, selbst auf Englisch mit dem Zeugen zu sprechen, weil der Dolmetscher nicht alles zu übersetzen schien.

Radasztics war es auch, der nun jeden Korrekturwunsch im Protokoll prüfen musste. Er bewilligte viele Anträge, aber nicht jeden – was in einigen Fällen dazu führte, dass die zweite Instanz entscheiden musste. Auch das dauerte.

Man kann also sagen: Kurz schöpfte die Mittel des Rechtsstaats voll aus. Selbiges gilt für die Fristen. Als am 18. Oktober der letzte Beschluss zur Protokollkorrektur fiel und das Urteil erneut zugestellt wurde, sollte er mitteilen, ob es bei den bereits eingebrachten Rechtsmitteln bleibe. Am 15. November – exakt nach Ablauf der vierwöchigen Frist – teilte die Verteidigung mit, dass es keine Ergänzung mehr geben werde.

600 Seiten Berufung

Damit ging der Akt ans Oberlandesgericht Wien, wo er jetzt geprüft wird. Alleine das Lesen dürfte einige Zeit dauern. Die schriftliche Ausführung der Rechtsmittel von Kurz’ Verteidiger Dietrich hat rund 150 Seiten (600 Seiten …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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