
Die Grünen hätten Fehler gemacht – sie wolle es jetzt „besser machen“. Sagt Leonore Gewessler, ehemals Klimaministerin, die sich beim Bundeskongress am 29. Juni der Wahl zur Parteichefin stellt.
KURIER: Sie werden von den einen als Macherin gefeiert; andere nennen Sie rücksichtslos. Stimmt beides?
Leonore Gewessler: Ich freue mich, dass die Menschen wissen und spüren, dass sie sich auf mich verlassen können – auch, wenn es hart auf hart kommt. Ich habe aber auch gezeigt, dass ich Brücken bauen kann. Ein Beispiel ist das Klimaticket, da bin ich gemeinsam mit neun Bundesländern, neun Verkehrsverbünden, Bahnunternehmen und dem Regierungspartner am Verhandlungstisch gesessen.
Die Geschichte habe ich anders in Erinnerung: Die Ostregion hat sich damals gesträubt, also haben Sie sich hingestellt und gesagt: Okay, dann machen wir’s ohne euch. Das hat Druck erzeugt.
Wir hatten damals mit sechs Bundesländern eine super Lösung und ich wollte die Menschen nicht länger warten lassen, denn das Klimaticket ist ja genau für sie da. Für die anderen Länder haben wir uns die Zeit genommen, noch eine gute Lösung zu finden.
Mittlerweile ist das Klimaticket von allen – auch der ÖVP – als gute Sache anerkannt. Muss man die Menschen manchmal zu ihrem Glück zwingen?
Nein, ich finde, man muss in der Politik vor allem einmal zuhören und verstehen, was die Menschen bewegt, denn sie erwarten sich Lösungen. Ich werde die nächsten Monate viel unterwegs sein in Österreich und abholen, was sich die Menschen von den Grünen erwarten.
Welche Fehler sehen Sie bei den Grünen konkret?
Die Grünen sind oft auf der Suche nach einer sehr guten Lösung, die im Hörsaal jede Prüfung besteht. Aber der Test ist nicht der Hörsaal, sondern der Küchentisch. Wenn ich zu einer jungen Mama, die nicht weiß, wie sie Job, Familie und das Finanzielle hinkriegen soll, sage: „Die Care Arbeit gehört 50:50 aufgeteilt“, dann sagt sie vielleicht: „Ja, stimmt.“ Aber das löst ihre Probleme daheim nicht. Unser Konzept einer gleichberechtigten, solidarischen Gesellschaft muss so aussehen, dass diese Frau weiß: Sie kann sich auf die Grünen verlassen.
Ich habe ein Déjà-vu: Dasselbe hat Werner Kogler vor sieben Jahren gesagt, als die Grünen aus dem Nationalrat geflogen sind. Fangen Sie jetzt wieder bei null an?
Nein. Die Grünen und mich eint die Überzeugung, dass es unseren Kindern mindestens so gut gehen soll wie uns und irgendwann auch wieder besser. Dafür haben wir die vergangenen fünf Jahre gehackelt. Aber ja, in diesem Strudel des Regierens ist das Zuhören manchmal zu kurz gekommen. Das ist jetzt mein Auftrag.
Viele lehnen Sie als Person ab, nennen Sie „grünen Kickl“.
Das weise ich komplett zurück. Herbert Kickl hetzt, spaltet, hat kein Interesse an Lösungen, sondern immer nur daran, das Problem größer zu machen. Das unterscheidet uns sehr grundlegend.
Gemein haben Sie eine gewisse Kompromisslosigkeit.
Ich habe eine Regierung verhandelt – erfolgreich.
Aber Sie verstehen, dass sich manche fürchten, Sie als Grüne würden ihnen ultimativ das Auto wegnehmen oder Schlimmeres?
Es muss sich niemand vor mir fürchten und ich will niemandem etwas wegnehmen. Wir werden auch 2040 noch Auto fahren, auch ich sitze im Auto. Aber ja, ich bin der Überzeugung, dass man hingreifen …read more
Source:: Kurier.at – Politik