
Sie ist seit langem ein eifrig bedientes Feindbild für Ungarns Regierungschef Viktor Orban: Die Pride-Parade der LGBTQ-Gemeinde. In vergangenen Jahren beschränkte sich der deklariert Homosexuellen-feindliche Premier auf politische Polemik, Geldstrafen gegen die Veranstalter oder Einsätze der Polizei, durch die Teilnehmer rechtsradikaler Gegendemonstrationen weitgehend ungehindert auf die Pride-Tänzer losgehen konnten.
Nun aber hat Orban klargemacht, eine weitere Linie überschreiten zu wollen: Ein Verbot der für den 28. Juni geplanten Parade in Budapest. Das ungarische Parlament hat am 18. März per Eilverfahren die bisher alljährlichen Paraden verboten. Formell ist die Neuregelung eine Ergänzung des Versammlungsgesetzes. Versammlungen dürfen das Kinderschutzgesetz nicht verletzen. Die Pride-Parade wird nicht ausdrücklich genannt, ist jedoch gemeint, wie mehrere Abgeordnete im Budapester Parlament deutlich machten.
Ein Plan mit möglicherweise dramatischen politischen und finanziellen Konsequenzen für sein Land. Denn ein Großteil der anderen EU-Staaten, ohnehin entnervt von Orbans ständigen Blockaden bei wichtigen europäischen Entscheidungen, drängt nun auf ein entschieden härteres Vorgehen gegen Budapest.
20 EU-Staaten, darunter auch Österreich, haben einen Brief unterschrieben, in dem man sich nicht nur „tief besorgt“ über das Vorgehen der Orban-Regierung zeigt, sondern auch die EU-Kommission auffordert, im Extremfall alle rechtlich möglichen Maßnahmen gegen Ungarn zu ergreifen.
Dazu gehört auch das sogenannte „Artikel-7-Verfahren“, das einen Entzug des Stimmrechts des Landes bei EU-Entscheidungen zur Folge hätte. Ein solches Verfahren gegen Ungarn ist zwar seit Jahren am Laufen, kommt aber nicht voran, weil dafür alle anderen 26 EU-Staaten feststellen müssten, dass eine schwerwiegende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit vorliegt. Bisher hat immer zumindest ein anderer EU-Staat Budapest den Rücken gedeckt, zuletzt die Slowakei.
Mit dem aktuellen Brief aber scheint das Artikel-7-Verfahren wieder Fahrt aufzunehmen. Möglich wäre auch die Blockade weiterer EU-Gelder für Ungarn, die die EU-Kommission veranlassen könnte. Schon jetzt muss Ungarn wegen Bruch des EU-Rechts, etwa in der Migrationspolitik, auf Dutzende Millionen Euro verzichten.
Kritik an der Kommission
Vorerst aber beschränkt sich die Kommission auf Ermahnungen und kritische Kommentare. Wie Brüsseler Medien berichten, sollen in der Kommission interne Vorgaben im Umlauf sein, die Zurückhaltung gegenüber Ungarn anordnen. Man will im Vorfeld wichtiger Entscheidungen beim kommenden EU-Gipfel im Juni Orban offensichtlich nicht weiter herausfordern und weitere politische Blockaden provozieren. Präsidentin Ursula von der Leyen jedenfalls hat ihre Kommissare laut diesen Medienberichten gebeten, nicht zur Pride Parade nach Budapest zu fahren. Die Kommission dementiert.
Bisher machte die Kommission auch keine Anstalten, konkret gegen das Pride-Verbot vorzugehen. Justizkommissar Michael McGrath beteuert zwar, dass man alle Werkzeuge nutzen werde, um die Rechte ungarischer Bürger zu verteidigen. Allerdings sei dafür eine rechtliche Analyse notwendig, die derzeit noch laufe.
Bereits eingeleitet sind weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn — darunter gegen das sogenannte „Kinderschutzgesetz“, das das „Propagieren“ von Homosexualität oder der „Abweichungen von der Identität des Geburtsgeschlechts“ unter Strafe stellt.
Schilling will dabei sein
Für viele EU-Parlamentarier ist das Vorgehen der Kommission trotzdem halbherzig. Sie fordern mehr Härte gegen Ungarn, allerdings nur in Protestnoten aus Brüssel.
Noch entschlossener geben sich einzelne EU-Parlamentarier. Sie wollen das Verbot der Veranstaltung am 28. Juni ignorieren und an der Pride in Budapest teilnehmen. Eine der Abgeordneten ist die Österreicherin Lena Schilling. Die Grüne, die sich für die Rechte der queeren Community in Ungarn …read more
Source:: Kurier.at – Politik